Amtsgericht
Protokoll der Sitzung und Urteil

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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL


In Sachen

(Persönliche Daten der Mutter und ihres Anwaltes)

gegen


(Persönliche Daten des Vaters und seiner Anwältin)

Weitere Verfahrensbeteiligte:
Stadt Villingen-Schwenningen -Stadtjugendamt- Goethestraße 11, 78048 Villingen Schwenningen, Gz.: I/FJS/SJ/III/Hu

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin

Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Hans-Thoma-Straße 19, 76133 Karlsruhe

wegen Ehescheidung und Folgesachen

hat das Amtsgericht - Familiengericht - Villingen-Schwenningen durch Richter am Amtsgericht B. auf die mündliche Verhandlung vom 7.5.2002

für Recht erkannt:

  1. Die am 21. November 1992 vor dem Standesbeamten des Standesamts Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Villingen geschlossene Ehe der Parteien wird auf Antrag der Antragstellerin geschieden.
  2. Die elterliche Sorge über die Kinder J. G., geboren am 18.01.1994 und F. J. G., geboren am 06.06.1995 wird auf die Antragstellerin/Kindesmutter übertragen.
  3. Bezogen auf den 31.10.1999 werden Rentenanwartschaften in Höhe eines Monatsbetrages von 21,07 DM = 10,77 EUR vom Versicherungskonto Nummer ... der S. G. (Mutter) bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf das Versicherungskonto Nummer ... des J. G. (Vater) bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen.

    Bezogen auf den 31.10.1999 werden zu Lasten der Versorgung der S. G. (Mutter) bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Karlsruhe (Personalnummer: ...) auf dem Versicherungskonto Nummer ... des J. G. (Vater) bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften in Höhe eines Monatsbetrages von 1,10 DM = 0,56 EUR begründet.

    Die zu übertragenden und die zu begründenden Rentenanwartschaften sind in Entgeldpunkte umzurechnen.
  4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:


I. Ehescheidung:
Die am ... in ... geborene Antragstellerin und der am ... in ... geborene Antragsgegner haben am 21. November 1992 vor dem Standesamt Villingen-Schwenningen, Stadtbezirk Villingen die Ehe geschlossen (Heiratseintragsnummer ...). Beide Ehegatten sind deutsche Staatsangehörige. Ihrer Ehe entstammen die Kinder J. G., geboren am 18.01.1994 und F. J. G., geboren am 06.06.1995, die bei der Antragsstellerin/Kindesmutter wohnhaft sind.

Die Antragstellerin begehrt die Scheidung mit der Begründung, dass die Ehe gescheitert sei. Hierzu hat sie vorgetragen, dass der Antragsgegner zum 01.05.1997 aus der Ehewohnung ausgezogen sei und die Ehegatten seither getrennt leben. Eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft werde von keiner der Parteien gewünscht.

Die Antragstellerin beantragt:

    Die zwischen den Parteien am 21.11.1992 in Schwenningen unter Heiratsregister Nummer ... geschlossene Ehe wird geschieden.

Der Antragsgegner ist dem Scheidungsantrag nicht entgegengetreten. Er stimmt der Scheidung zu.

Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 07.05.2002 wird insoweit Bezug genommen (AS 435 ff).

Der zulässige Antrag ist begründet. Die Ehe ist auf Antrag der Antragstellerin gemäß §§ 1564, 1565 Absatz 1, 1566 Absatz 1, Absatz 2 BGB durch Urteil zu scheiden, da sie gescheitert ist. Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten besteht seit länger als drei Jahren nicht mehr, so dass das Scheitern unwiderlegbar vermutet wird und beide Ehegatten lehnen auch grundsätzlich eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ab.

Dies ergibt sich aus den glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der Parteien bei der Anhörung. Danach ist der Antragsgegner zum 01.05.1997 aus der Ehewohnung ausgezogen, in der die Antragstellerin mit den Kindern verblieben ist. Eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft hat nicht wieder stattgefunden und wird auch grundsätzlich von beiden Ehegatten abgelehnt.

Bei diesem Sachverhalt steht das Scheitern der Ehe fest und diese ist zu scheiden.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:


II. Elterliche Sorge:
Die Parteien haben am 21. November 1992 die Ehe geschlossen. Sie sind deutsche Staatsangehörige. Ihrer Ehe entstammen die Kinder J. G., geboren am 18.01.1994 und F. J. G., geboren am 06.06.1995, die bei der Kindesmutter wohnhaft sind.

Die Ehe der Parteien ist geschieden. Mit der Scheidung ist die elterliche Sorge für die minderjährigen Kinder zu regeln, da beide Parteien jeweils den Antrag gestellt haben, dass ihnen jeweils die elterliche Sorge über die Kinder allein übertragen wird (Antrag der Antragstellerin/Kindesmutter vom 25.04.2002, AS 59 ff, Antrag des Antragsgegners/Vater vom 03.05.2000, AS 71 ff).

Die Kindesmutter trägt vor, das Verhalten des Vaters stelle für beide Kinder eine Belastung dar und störe auf Dauer deren Entwicklung. Durch die bisher vom Vater gewünschte Umgangsregelung seien die Kinder übermüdet, quengelig und unkonzentriert. Die Kinder bedürfen nach ihrer Ansicht eines festen Tagesablaufes ohne Hin- und Herreisen zwischen den Eltern. Mit dem Vater sei eine derartige feste Regelung, Entscheidung nicht zu treffen. Dieser diskutiere, streite endlos. Er wolle in allen Dingen mitreden und diskutieren. Er entwickle immer neue Einzelheiten, wenn seine Vorstellungen nicht erreichbar seien. Die Auffälligkeiten in der Entwicklung der Kinder, insbesondere deren schulische Leistungen, seien auf die Erziehungsauffassung und die Umgangsregelung des Vaters zurückzuführen.

Der Antragsgegner/Vater trägt vor, die Mutter sei infolge ihrer freiberuflichen Tätigkeit überlastet und könne sich den Kindern nicht in ausreichendem Maße widmen. Der berufliche Stress der Mutter übertrage sich auf die Kinder und führe zu Entwicklungsstörungen. Es drohe eine Verwahrlosung der Kinder. Deren Kleidung stamme aus zweiter und dritter Hand. Die Kindesmutter verwende das Geld für andere Zwecke. Er hingegen habe zeitlich mehr Möglichkeiten, sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern und stehe dauernd zur Verfügung. Bei der Mutter sei eine größere Fremdbetreuung erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze zur Hauptsache und im einstweiligen Anordnungsverfahren Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien sowohl im einstweiligen Anordnungsverfahren als auch in der Hauptsache angehört. Im einstweiligen Anordnungsverfahren haben die Parteien sich am 18.07.2000 dahingehend zu einigen vermocht (AS 31,33 SO EA), dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter/Antragstellerin übertragen wird. Die sodann vom Vater begehrte Änderung dieser Regelung ist im Termin vom 20.02.2001 (AS 125 SO EA) nach erneuter Anhörung der Parteien nicht mehr weiter betrieben worden. Das Stadtjugendamt Villingen-Schwenningen wurde angehört. Insoweit wird auf die Berichte vom 21.06.2000 (AS 17 ff SO EA) und 18.12.2000 (AS 69 ff SO EA) Bezug genommen. Weiter hat das Gericht ein kinder- und jugendpsychologisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K., Tübingen, zur Regelung der elterlichen Sorge eingeholt. Auf den Inhalt des am 29.01.2002 erstellten Gutachtens (AS 255 ff ES) wird Bezug genommen.

Die zulässigen Anträge der Parteien sind bezüglich der Antragstellerin/Kindesmutter begründet, bezüglich des Antragsgegners/Vaters unbegründet.

Die Alleinsorge eines Elternteiles nach § 1671 Absatz 1 i. V. m. Absatz 2 Nummer 2 BGB ist dann anzuordnen, wenn ihr unter dem Gesichtspunkt der am wenigsten schädlichen Alternative für die Kinder gegenüber der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben ist. Aus dem vorliegenden Sachverhalt hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die Alleinsorge der Antragstellerin/Mutter dem Wohl der Kinder besser entspricht, als die Beibehaltung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge oder die Alleinsorge des Antragsgegners/Vaters.

Der Gesetzgeber hat zwar die Beibehaltung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge der Eltern für deren Kinder auch im Falle der Trennung als vorrangig eingestuft. Voraussetzung für die Beibehaltung der geminschaftlichen Sorge ist aber die Bereitschaft und die Fähigkeit der Eltern, in Angelegenheiten, die von wesentlicher Bedeutung für die Kinder sind, in verantwortungsvoller Weise zu kooperieren. Hierzu sind beide Parteien aufgrund ihrer unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen, Charaktereigenschaften, Lebensvorstellungen schon länger nicht in der Lage.

Seit der im Mai 1997 erfolgten Trennung versuchen sie ihre persönlichen Probleme in den Fragen der Kindererziehung, beim Umgang, beim Verbleib der Kinder auf Kosten von deren Entwicklung zu lösen. Begonnen hat dieses mit einer täglichen stundenweisen Aufteilung der Kinder zwischen den Eltern entsprechend deren Arbeitsverpflichtungen mit dem gemeinsam getroffenen Endergebnis, dass jedem Elternteil jeweils 50 % der Kinder zukommen. Dies hat dazu geführt, dass die Kinder zum Teil in den ganz frühen Morgenstunden aus dem Schlaf gerissen werden mußten, um diese an den anderen Elternteil weitergeben zu können, um dann seiner Arbeitsverpflichtung nachzukommen. Bei Ende der Beschäftigung wurde dann der weitere Aufenthalt jeweils in anderer Weise geregelt. Dies hat zum täglichen mehrfachen Wechsel der Bezugspersonen und des Aufenthaltsortes und als vermutliche Folge zu einer Entwicklungsverzögerung bei J. G., weshalb dieser wegen mangelnder Schulreife um ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt werden mußte. Er konnte sich nicht in einem ausreichenden Maße konzentrieren. Entsprechend muss F. J. G. jetzt eine Förderklasse besuchen. Erst auf Anraten des Jugendamtes und des Gerichtes haben sich die Eltern angesichts der eingetretenen Problematik im Jahre 2000 auf einen Aufenthalt der Kinder bei der Antragstellerin/Mutter geeinigt, wobei diese Einigung unmittelbar danach auch wieder vom Antragsgegner/Vater in Frage gestellt worden ist.

Aus dem Gesamtverhalten des Vaters ergibt sich für das Gericht, dass es diesem mehr darum geht, nach außen hin Kompetenz bezüglich seiner Kinder zu zeigen, und dass er dieses unter dem "Deckmantel" des "Kindeswohls" durchzusetzen versucht, wie zum Beispiel bei der letzten mündlichen Verhandlung, in der er, gleichgültig welche Entscheidung getroffen wird, unbedingt seine Tätigkeit als Elternbeirat in der Schule der Kinder beibehalten wollte, was letztendlich auf die persönliche Entwicklung seiner eigenen Kinder wenig Einfluss hat. Andererseits hat das Gericht in seiner persönlichen Beobachtung auch erkannt, das der Antragsgegner/Vater tatsächlich wenig entscheidungsfreudig ist, eine depressive Persönlichkeitsstruktur aufweist, die sich in buchhalterischen Einzelheiten verliert, ohne aber Führungsqualität zu zeigen, was auch der Sachverständige Prof. K. in seinem Gutachten zu bestätigen vermochte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen zeigt sich diese Verhaltensweise auch gegenüber den Kindern. Insoweit haben sich diese bei den Explorationen des Sachverständigen gegenüber dem Vater undiszipliniert und distanzlos gezeigt und er selbst hat gegenüber den Kindern keine festen Regeln durchzusetzen vermocht.

Im Gegensatz dazu steht die Antragstellerin/Mutter, die offensichtlich beruflich stark belastet ist und durch strenge Strukturen das Verhalten der Kinder zu regeln versucht, andererseits aber auch eine ordnungsgemäße Versorgung der Kinder gewährleistet. Die Kinder stehen somit zwei gänzlich gegensätzlichen Erziehungsauffassungen gegenüber.

Eine Einigung zwischen den Eltern bezüglich ihrer Erziehungstätigkeit ist nicht zu erzielen. Der Antragstellerin/Kindesmutter ist der andauernde Diskussionsbedarf des Antragsgegners/Vaters, der sich auch in den jeweiligen gerichtlichen Anhörungen entsprechend verhalten hat und sämtliche Probleme immer wieder neu angesprochen und nochmals geregelt wissen wollte, wenn seine Auffassungen nicht geteilt worden sind, eine zu große Belastung, die sie offenbar nicht mehr gewillt ist, mitzutragen. Darüberhinaus hegt der Antragsteller/Vater gegenüber der Antragstellerin/Mutter ein tiefes Mißtrauen. Auch insoweit sind verläßliche Regelungen schwer zu treffen zwischen den Parteien. Dies zeigte sich auch während der Anhörung durch das Gericht. Obwohl dem Antragsgegner/Vater schon jetzt mehr Umgangszeiten mit den Kindern zur Verfügung stehen, als ehemals gerichtlich vereinbart und vom Sachverständigen im Gutachten angeregt, geht er davon aus, dass mit einer Sorgerechtsregelung zu Gunsten der Mutter von dieser auch gleichzeitig eine Umgangsbeschränkung ausgesprochen werden wird, obwohl diese durchaus weitere Umgangszeiten im Rahmen von Ferienregelungen in Aussicht gestellt hat. Entsprechend hat diese auch das Angebot einer Beibehaltung einer Elternbeiratstätigkeit bei einer Sorgerechtsregelung zu Gunsten der Mutter von dieser gemacht. Gleichwohl konnte sich der Antragsgegner/Vater darauf nicht einlassen und eine entsprechende Entscheidung in Form einer gütlichen Einigung zwischen den Eltern treffen.

Für das Gericht stellt sich somit die Frage, welche Sorgerechtsregelung dem Wohl der Kinder und deren Entwicklung förderlicher ist. Beide Eltern haben offensichtlich ein inniges Verhältnis zu ihren Kindern. Sie bieten jedoch beide nicht die optimalen Voraussetzungen für eine absolut positive Kindesentwicklung. Die Kinder selbst haben im Rahmen ihrer Anhörung eine Wahl zum einen oder anderen Elternteil nicht zu treffen vermocht, sondern diese im Wesentlichen als gleichwertig betrachtet. Deutlich geworden ist aber auch aus den Schilderungen der Kinder, dass sie das dauernde Streitverhalten der Eltern als stark belastend empfinden und sich selbst in einer Vermittlerposition empfinden, die von der Kindesentwicklung her ihnen sicherlich nicht zukommt und zukommen darf. Während sie die Mutter mehr als Versorgungsstation ansehen, hat der Vater bei ihnen aufgrund des freieren Erziehungsstils und der entsprechenden Freizeitgestaltung, insbesondere bei J. G., einen hohen Wert. Gleichwohl sehen beide Kinder einen weiteren Aufenthalt bei der Mutter als gut und für sie unproblematisch an.

Unter Berücksichtigung des Kontinuitätsgrundsatzes und dass die Erziehungsauffassung der Mutter insgesamt für die weitere Entwicklung der Kinder förderlicher erscheint, wie auch vom Sachverständigen Prof. Dr. K. in seinem Gutachten für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend herausgearbeitet, ist die elterliche Sorge für beide Kinder allein der Antragstellerin/Kindesmutter zu übertragen. Die Kinder sind an die Versorgung durch die Mutter gewöhnt. Sie bedürfen auch fester Erziehungsregeln und Entscheidungen, da ihre Entwicklung insgesamt nicht dem üblichen Stand entspricht. Eine freie Erziehung in völliger Unbegrenztheit, wie vom Vater offensichtlich bevorzugt, um bei den Kindern immer positiv zu wirken, entspricht bei deren jetzigen Entwicklungsstand nicht dem Kindeswohl. Da der Umgang zwischen dem Vater und den Kindern schon bisher in ausreichendem Maße nachgekommen worden ist, ist auch für die Zukunft eine angemessene Vater-Kindbeziehung erwartbar. Darüberhinaus kann durch die klare Regelung die Verständigung der verstrittenen Eltern über die Belange der Kinder auf eine andere Ebene geführt werden.

Entsprechend ist der Mutter das alleinige Sorgerecht zum Wohle der Kinder zu übertragen (§ 1671 Absatz 2 Nummer 2 BGB).
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