Presseschau
Auf dieser Seite finden Sie Pressartikel rund um unseren Verein.
"Vereinsfremde" Artikel finden Sie hier.


Schwarzwälder Bote
Donnerstag, 16. Mai 2002

LESERBRIEFE
Massaker ist eine Konsequenz gesellschaftlicher Entwicklung


Betrifft: Erfurt

So unerklärlich und unfassbar das Ereignis in Erfurt auf den ersten Blick sein mag, so ist es auf den zweiten Blick letztendlich nur die logische Konsequenz, die sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung ergibt. Der zunehmende Verfall an Werten, die unverzichtbar und von existentieller Bedeutung für das Funktionieren und den Bestand einer Gesellschaft sind, legt die Vermutung nahe, dass Erfurt nicht das Finale dieser Entwicklung darstellt, sondern im Gegenteil nur der Beginn und darüber hinaus zu befürchten ist, dass das Gewaltpotential sowohl quantitativ als auch qualitativ noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Schon vor zehn Jahren wurde eine wissenschaftliche Studie, sie sich mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Schüler befasste, die dieser Tage ihren vorläufigen Höhepunkt in Erfurt fand, erstellt und den politisch Verantwortlichen zugeleitet, da von ihnen selbst in Auftrag gegeben. In dieser Studie wurden Lösungswege aufgezeigt, die jedoch nie zur Umsetzung gelangten. Warum?

Liegt es an der Arroganz der politisch und wirtschaftlich Mächtigen gegenüber den bestehenden Verhältnissen oder daran, dass viele dieser sogenannten Entscheidungsträger aus den bestehenden Verhältnissen handfeste finanzielle und machtorientierte Vorteile ziehen und eben deshalb kein Interesse an Reformen haben? Oder ist es gar um die intellektuelle Verbreitungsfähigkeit der politischen und wirtschaftlichen Elite nicht so gut bestellt? Es ist müßig, über die prozentuale Aufteilung der oben genannte Faktoren und deren Einfluss zu spekulieren. Das Ergebnis spricht für sich.

Man darf auf den in den nächsten Tagen und Wochen vordergründig politischen Aktivismus, den daraus resultierenden Analysen, Meinungen und feilgebotenen Lösungen gespannt sein.

Ein bereits jetzt in der politischen Diskussion zu erkennender Ansatz, dass man Bildung nicht mehr als Ausgabe, sondern als Investition in die Zukunft zu begreifen hat und demzufolge dieser Sektor eine erhebliche Aufwertung erfahren muss, greift zu kurz. Es ist wohl richtig, dass die Schule wieder ein Ort sein muss, wo soziales Verhalten vermittelt wird.

Es kann nicht sein, dass fast jeder Schulhof einer mittleren Stadt als Umschlagplatz von Rauschmitteln fungiert und somit das Endglied in der Struktur der Mafia bildet. Aber auf der anderen Seite kann und darf Schule nicht als Reparaturbetrieb für eine mangelhafte oder nicht erfolgte Erziehung fungieren.

Eine Doktrin, die in jeder Gesellschaftsform ihre Berechtigung hat und hatte, ist, dass die Familie die Keimzelle der Gesellschaft ist. Nicht umsonst unterliegt die Familie auch bei uns dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Und wie es um diese bestellt ist, darauf braucht man an dieser Stelle nicht einzugehen. Es reicht nun mal nicht aus, wenn man wohl den Rahmen für etwas schafft, aber sich um das Klima nicht kümmert, bildlich vergleichbar mit einem Gewächshaus im Winter, das nicht beheizt wird.

Hier nimmt eine Entwicklung ihren Ursprung, die sich in solchen Ereignissen wie dem von Erfurt manifestiert.

Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass, bevor eine Nation durch externe Faktoren letztendlich ihren Niedergang fand, nahezu immer ein Zerfall der internen Faktoren, also des Wertesystems, das einst zum Aufstieg führte, vorweg ging. Somit sind wir wieder am Anfang, der Kreis schließt sich.

Uli Metzl
Schramberg


In unserem Forum können Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel äußern.
Verweisen Sie dabei bitte auf http://vaetersorgen.de/Presseschau/Artikel37.html

Zum Seitenanfang
Hier erreichen Sie den Webmaster