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Südwest Presse
Samstag, 05. April 2003

FAMILIE / Gewalt in Partnerschaft richtet sich nicht nur gegen Frauen

Männer als Prügelknaben


Viele Betroffene schweigen aus Scham - Pilotstudie soll Licht in das Dunkel bringen

Wenn in einer Ehe oder Partnerschaft Gewalt im Spiel ist, sind meistens die Frauen die Opfer. Es gibt allerdings auch Männer, die von ihrer Partnerin geschlagen, getreten, körperlich misshandelt werden. Nur trauen sich die wenigsten, darüber zu sprechen oder gar um Hilfe zu bitten.

DANIELA EGETEMAYER

Ruhig spricht er. Offenen Blickes, mit wohldurchdachten und prägnanten Worten. Auf dem Schoß sitzt Tochter Lena (2), die fröhlich kräht. Doch was ihr Papa, Felix M. (Namen geändert), erzählt, stimmt alles andere als froh. Immer wieder wird er von seiner Frau Susanne tätlich angegriffen. Einmal im Monat, manchmal öfter. Gewalt in der Familie - häufig trifft es die körperlich schwächeren Frauen. Das Gewaltschutzgesetz der Bundesregierung hat dem Rechnung getragen. Der Agressor muss die Wohnung verlassen, das schreibt die Novellierung von 2002 vor. Doch was, wenn der Agressor die Ehefrau, die Partnerin, ist? Die Häme der eingeschalteten Polizei sei ihnen sicher, erzählen Betroffene. Hilfe erfahren sie selten. Denn mehr noch als für Frauen gilt für geschlagene Männer: Sie schweigen aus Scham.

Felix M. ist da eine Ausnahme. Der 26-Jährige kann die Ursachen seiner familiären Not benennen, empfindet, so beteuert er, auch keine Scham. Ehefrau Susanne (20) wuchs mit Gewalt auf. Verlor mit sechs Jahren ihre alkoholabhängige, gewalttätige Mutter, kam in eine Pflegefamilie, wurde auch dort körperlich gezüchtigt. Den Verlust der Mutter hat sie bis heute nicht überwunden.

Ihre Frustationen lebt sie schlagend aus. Ziel ist der Ehemann. Wenn sie ausrastet, landet schon einmal ein Fotoalbum auf seinem Kopf, oder sie traktiert ihn mit Gegenständen, bis Blut fließt. Trotzdem stellt sich Felix M. seiner Frau nicht entgegen. Gelegentlich hält er sie fest, wenn sie rasend wird vor Wut. Aber nie würde er zurückschlagen. Nie würde er ihr antun, was sie aus ihrer Jugend zur Genüge kennt. Schließlich liebt er sie.

Was der junge Familienvater nicht weiß, ist, wie er mit seiner familiären Malaise umgehen soll. Ohne erkennbare Emotion wirkt er wie einer, der geduldig alle Last zu tragen bereit ist. Höflich, rücksichtsvoll, ein liebender Vater. Einer, der gelernt hat, sich zurückzunehmen.

Männer wie Felix M. gibt es mehr, als man gemeinhin denkt. Männer, die sich von ihrer Partnerin schlagen und Quälen lassen, die ihr keine Grenzen setzen. Erst langsam beginnt die Diskussion über das Thema. Wie viele Männer tatsächlich von familiärer Gewalt betroffen sind, ist unbekannt.

In einer Pilotstudie hat das Bundesfamilienministerium jetzt erste Untersuchungen in Auftrag gegeben. Denn die Kriminalstatistiken sind nur begrenzt aussagefähig, wird doch nur ein ganz geringer Teil der innerfamiliären Delikte überhaupt angezeigt.

Reden über das Leid

Die Evangelische Akademie Tutzing hat im vergangenen Jahr erstmals öffentlich auf das Thema aufmerksam gemacht. Betroffene Männer fanden dort ein Forum für ihre - oft über viele Jahre verdrängte - Not. Männer jeden Alters, jeden Bildungsgrades, jeder Herkunft. Große, schwere Männer und kleine, schmächtige. Wohlsituiert wirkende ebenso wie leger gkleidete. Dynamische und eher zurückhaltende. Gemütliche mit Bier- und sportliche mit Waschbrettbauch - kurz: der Mann von der Straße. Auf den ersten Blick wahrlich nicht als Gewaltopfer zu erkennen. Erst in kleiner Runde geben sie ihre Not preis, wird ihr Leiden offenbar.

Da ist der 43-jährige Klaus. Schmächtig von Statur, kann er in dem geschützten Kreis erstmals reden. Fast stimmlos erzählt er von den Gewalterfahrungen, die sich durch sein ganzes Leben ziehen. Als das dritte Kind einer alleinerziehenden Mutter erstmals mit seinem neuen Stiefvater in Kontakt kommt, hagelt es bereits Schläge, weil der 10-jährige Klaus das Bierglas umgeworfen hatte. Später verging sich der Stiefvater an ihm. Nicht nur einmal. Klaus' erste Frau griff ihn ebenfalls im Streit über Jahre hinweg körperlich an. Sich zu wehren hat Klaus nicht gelernt.

Erst mit seiner neuen Freundin Angelika gelingt es ihm, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Sie ermutigt ihn, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Erstmals im Leben spürt er den Rückhalt in einer funktionierenden Partnerschaft.

Freilich: Das neue Forschungsgebiet "Gewalt gegen Männer" muss sehr differenziert untersucht werden. Darauf verweist der Nürnberger Sozialwissenschaftler Hans-Joachim Lenz. Die Familie, weiß der Männerforscher, ist keine heile Insel. Sie ist ein Produkt der sie umgebenden Welt, und mit der Brutalisierung des Alltags geht eine Brutalisierung in der Familie einher. Wer den Druck der Außenwelt spürt, gibt ihn nicht selten in der Familie weiter. Außerhalb der Familie wird Männern die meiste Gewalt durch andere Männer zugefügt.

Aber Gewaltforschung an Männern eignet sich nicht als Mittel im Geschlechterkampf. "Es ist sehr abträglich und gefährlich, das Thema auf die Beziehung zwischen Frauen und Männer zu reduzieren", betont Lenz. Wichtig sei zu erkennen, dass auch die Gewalt gegen Männer in der Familie überwiegend von Männern ausgehe. Von Vätern, Stiefvätern, Brüdern, Söhnen. Ein weites Feld, und schwer zu durchdringen.

Gewalt gegen Frauen war bis in die 70er Jahre hinein ebenfalls tabuisiert. Mittlerweile ist das Thema gesellschaftsfähig geworden. Frauen finden immer mehr den Mut, ihre Unterdrückung zu durchbrechen. Frauenhäuser sind in den 80er und 90er Jahren wie Plize aus dem Boden geschossen, das neue Gewaltschutzgesetz tut ein übriges.

Männer hingegen sind bislang mit ihrer Not alleingelassen. Mit der Angst, ihr Gesicht zu verlieren, mit ihrer Scham. Es wird Zeit, Licht in das Dunkel zu bringen.

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Hinweis: Ausführlich wird das Thema Gewalt unter www.gewaltschutz.de behandelt.

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