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Südwest Presse
Freitag, 04. April 2003

GESELLSCHAFT / Podiumsdiskussion zum Abschluss der Familienrechtstage

"Die Familie ist kein Auslaufmodell"


Dekan Müller: Es ist eine enorme Leistung, aus einem fröhlichen Hochzeitstag ein langes Glück zu machen

Nach 90 Minuten war sich die Runde einig: Die Familie ist kein Auslaufmodell. Das war das Ergebnis der Podiumsdiskussion im Fidelisheim, die den Abschluss der ersten Familienrechtstage in Villingen-Schwenningen bildete.

VILLINGEN-SCHWENNINGEN Standen an den Abenden zuvor Rechtsfragen im Mittelpunkt, so wollte der Initiator, Rechtsanwalt Michael Tritschler, am Dienstag eine "lebendige Veranstaltung" bieten, in der das Thema Familie aus verschiedenen Aspekten beleuchtet wurde. Eingeladen hatte er die Jornalistin Christina Nack, Familienrichter Rainer Horn, Dekan Kurt Müller von der katholischen Münsterpfarrei, Dekan Martin Treiber von der evangelischen Johannesgemeinde und den Diplom-PSychologen Rüdiger Noack. Moderator war Rechtsanwalt Kurt Haberer. Auch das Publikum diskutierte mit.

Die Rahmenbedingungen haben sich geändert, das gesellschaftliche Umfeld, in dem Ehen und Familien bestehen müssen. Das wurde am Dienstagabend deutlich. Und: Die Menschen sind offenbar sprachloser geworden. Die Folge: Sie artikulieren sich nicht, können Konflikte nicht beschreiben. Schlicht: Die Fähigkeit, miteinander zu reden, ist in vielen Partnerschaften nicht vorhanden.

Dabei ist die Kommunikation von erheblicher Bedeutung - in der Partnerschaft wie in der Familie, betonten alle. "Wenn ich heute durch die Hammerhalde gehe, ist die Straße leer", bedauerte Rainer Horn. Und: "Früher spielten dort die Kinder." Die sitzen heute vor dem Fernseher oder surfen im Internet, vermutete der Richter und beklagte die zunehmende Vereinsamung.

Feststellung: Viele Familien leisten heute nicht mehr, was sie in vergangenen Zeiten geleistet haben. Sie schulen nicht mehr das Sozialverhalten, das wichtig ist für das Zusammenleben in der Gesellschaft aber eben auch in der Partnerschaft. Kopfnicken in der Runde. Fragen taten sich auf, im Publikum und auf dem Podium. Ist es nur Aufgabe der Familie, die Kinder zu erziehen? Ist auch der Staat gefragt? Sind Familien, sind Mütter überfordert - auch, weil mehr Mütter berufstätig bleiben wollen oder müssen? Und: Kann man Partnerschaft lernen? Mann kann und Frau auch - besser noch beide gemeinsam.

Beispielsweise in Beratungen, zu denen auch Dekan Treiber ermunterte. Lernen, sich Zeit füreinander zu nehmen, für die Partnerschaft, für den Austausch von Meinungen - das sei so wichtig, beschwor Dekan Treiber. Partnerschaft sei ein lebenslanger Prozess, war Münsterpfarrer Müller überzeugt. Er riet allen Paaren: "Nutzen Sie die vielen kleinen Gelegenheiten, um Ihre Partnerschaft zu festigen". Aus seiner langen Erfahrung wusste er: "Es ist eine enorme Leistung, aus einem fröhlichen Hochzeitstag ein langes Glück zu machen".

Kurt Müller hat schon viele Menschen vor Freude ob des jungen Glücks weinen gesehen, aber auch vor Schmerz, wenn es denn nicht gelungen war, das Glück in den Alltag zu retten. Diplom-Psychologe Rüdiger Noack, oftmals vom Gericht hinzugezogener Gutachter, wollte die Familie ebenfalls nicht zu den antiquierten Lebensformen zählen. Er schränkte aber ein: "Die Familie ist renovierungsbedürftig". Es gelte nicht mehr das Dogma, dass die Familie glücklich sei und ein Single unglücklich. Noack setzte auch nicht Ehe mit Familie gleich. "Die Ehe ist ein Baustein der Familie", erläuterte der Psychologe seine Sicht. Eine Familie könne auch nach der Scheidung eine Familie bleiben, sagte er.

Das bestätigte Richter Horn. Immer mehr Ehepaare würden auch nach der Scheidung gemeinsam für die Kinder sorgen. "Die Familie endet nicht mit der Scheidung", stellte Horn fest. Ebenso wie Noack hielt auch Horn das althergebrachte Bild von der Familie für überholt. "Heim, Hof und Herd, das ist heute passe", sagte der Jurist, Ehemann und Vater. Nach wie vor aber ist für Rainer Horn die Familie die Keimzelle des Staates.

Ein Auslaufmodell war auch für Christina Nack die Familie nicht. Sie braucht sie, nannte als ihre Familie ihr Elternhaus und ihre Geschwister. Sie riet dazu, über neue Formen der Partnerschaft nachzudenken, warnte davor, zu viele Erwartungen an den Partner zu haben, die Haltung "Ich bin nur glücklich, wenn..." abzulegen.

Übertriebenes Anspruchsdenken sollte auch in der Partnerschaft aufgegeben werden. Im übrigen ist die Journalistin dafür, dass jeder erst einmal für sich selber Verantwortung übernimmt, empfahl, sich nicht als "eine Hälfte" der Partnerschaft zu verstehen. Viele Partnerschaften, so Christina Nack, scheiterten daran, dass der eine sich als "Pott" und der andere als "Deckel" verstehe. Das sei fatal. Zu bedenken gab sie, dass es wenig Vorbilder dafür gebe, wie es denn funktionieren kann.

Am Rande der Veranstaltung gab es kritische Stimmen, das Podium sei falsch besetzt. Einige Besucher hätten sich Väter und alleinerziehende Mütter in der Runde gewünscht. Die Veranstalter wollen die Anregung aufgreifen.
(hd)

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