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Südkurier
Dienstag, 21. Januar 2003

Wenn Eltern sich nicht mehr mögen

Zwischen Trotz, Trauer und schlechtem Gewissen - Gefahren und Chancen für Scheidungskinder

Wenn zwei sich scheiden, leiden oft dritte: die Kinder. Bei jeder zweiten Ehe, die 2001 in die Brüche ging, waren Kinder betroffen - insgesamt mehr als 150 000. Damit wuchs die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen einer Trennung nur bei einem Elternteil leben, auf rund 2,7 Millionen. Das sind zwölf Prozent aller Kinder. Psychologen und Pädagogen beobachten diesen Trend mit großer Sorge: Eine Scheidung bedeute einen tiefen Einschnitt in der Entwicklung eines Kindes.

Kinder - vor allem vor der Pubertät - geben sich oft die Schuld an der Trennung ihrer Eltern und reagieren dann meist mit Trotz, Trauer oder Aggression. "Sie fallen wieder in frühere Phasen zurück und werden unselbständiger", beschreibt der Wiener Scheidungsforscher und Psychoanalytiker Helmut Figdor das Phänomen.

Andere Kinder lassen sich dagegen gar nichts anmerken. Dann ist für Figdor besondere Aufmerksamkeit geboten: "Keine Symptome sind ein schlimmes Symptom, denn die Scheidung ist eine so dramatische Erfahrung, dass eine seelische Reaktion erfolgen muss." Einige Kinder sind durch ständige Streitereien der Eltern so abgestumpft, dass sie tatsächlich nichts empfinden. In diesen Fällen ist der Besuch bei einem Psychologen unumgänglich.

Die meisten "schweigenden Kinder" verstecken jedoch ihre Gefühle, und die Eltern - von schlechtem Gewissen geplagt - sind froh, dass anscheinend alles in Ordnung ist. Figdor nennt das die "Koalition der Verleugnung". Sie führt dazu, dass den Kindern wichtige Hilfe vorenthalten wird. Denn um die Erfahrung zu verarbeiten, müssen sie sich offen mit den Gründen der elterlichen Trennung auseinander setzen.

Für Horst Petri, Kinder- und Jugendpsychater in Berlin, kann sich eine Scheidung auch auf die spätere Bindungsfähigkeit der Kinder auswirken. "Sie erfahren, dass Beziehungen scheitern, und sie spüren oft die Verachtung, die sich Mutter und Vater und damit Männer und Frauen entgegenbringen."

Ob es soweit kommt, hängt von der Reaktion der Eltern ab. Die größte Sünde ist für Petri, wenn ein Partner das Kind gegen den anderen aufhetzt, wenn das Kind als "Spion" missbraucht wird ("Hat Mama wieder einen neuen Freund?") oder als Überbringer denkwürdiger Botschaften ("Papa soll endlich Geld überweisen!"). Eltern dürfen ihre Kinder nicht mit den Nachteilen ihrer Scheidung behelligen. Vielmehr müssten sie klarstellen, dass sie allein die Verantwortung für die Trennung tragen.

Laut Statistik gehen drei von vier Paaren nach dem vorgeschriebenen Trennungsjahr einvernehmlich auseinander. Der Direktor des Münchner Staatsinstituts für Frühpädagogik, Waasilios Fthenakis, wertet das als Beleg, dass sich die Scheidungsgründe geändert haben: "Entscheidend ist meist nicht ein akuter Konflikt, sondern ein oder beide Partner merken, dass sie ihren Lebensentwurf nicht miteinander verwirklichen können." Diese Vernunftsentscheidung stellt eine gute Basis dar für eine liebevolle Lösung im gemeinsamen Umgang mit den Kindern. Wenn alle sich optimal verhalten, birgt eine Scheidung für Figdor sogar eine Chance: Die Kinder lernen die wichtige Lektion, mit einer Trennung fertig zu werden. Doch zu Optimismus besteht kein Anlass.

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