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BZ (Badische Zeitung?)
Samstag, 08. Februar 1997

Nicht nur der Bundesrat, auch der Familiengerichtstag kritisiert den Entwurf des neuen Kindschaftsrecht: Das Kind bleibt nach wie vor ein Objekt

"Niemand fragt, wo ich hin will: zu Mama oder Papa"


Trennungsfamilien
Das Kindschaftsrecht soll reformiert werden. Die zwei umstrittenen Kernpunkte: Sollen Eltern, wenn sie sich scheiden lassen, weiterhin gemeinsam das Sorgerecht ausüben dürfen? Und welche Rechte sollen Väter im Umgang mit ihren nichtehelichen Kindern erhalten? In diesem Moment wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung erneut im Bundestag beraten.


Da zerbrechen sich nun Politiker, Expertinnen und Experten in Konferenzen und Anhörungen seit Jahren ihre schlauen Köpfe darüber, wie nach der Trennung einer Ehe die elterliche Verantwortung für die Kinder geregelt werden sollte. Doch die kamen dabei noch kaum zu Wort.

Wie auch immer das Sorge- und Aufenthaltsrecht geregelt wird, eines sehen Jugendliche ganz illosionslos: "Es wird nie wieder wie früher ein Ganzes sein", sagt ein Freiburger, dessen Eltern sich gerade getrennt haben. "Niemand fragt, wo ich hin will: zu Mama oder Papa." Kinder über 14 Jahre müssen zwar vom Gericht gehöhrt, aber ihrem Wunsch nicht unbedingt entsprochen werden. Kleinere haben überhaupt nicht mitzureden.

Während die Erwachsenen sich um juristische Details streiten, bekümmert Kinder die Alltagswirklichkeit. Was die These des Wiener Psychoanalytikers Helmuth Figdor bestätigt: "Die Sorgerechtsregelungen sind den Kindern egal. Wichtig ist ihnen, wo sie wohnen und bei wem sie sind." Dazu wollen sie gerne gefragt werden. Daß die Gerichte festlegen, wo sie sich jeweils aufhalten sollen, findet ein Mädchen "total dämlich. Es kommt doch auch auf die Beziehung zum jeweiligen Elternteil an".

Verbündete haben die Jugendlichen in dieser Frage sogar im Bundesrat. Der bemängelt, ebenso wie der Vorsitzende des deutschen Familiengerichtstages, Siegfried Willutzki, daß der Gesetzentwurf beim Umgangsrecht das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt. Das Kind bleibe ein Objekt, auf das andere (Eltern, Großeltern, Geschwister) einen Anspruch erheben. Richtig wäre laut Williutzki, wenn es selbst das Recht hätte, bei einer Trennung der Eltern seine Beziehungen zu regeln. Das die Bundesregierung darauf nicht einsteigt, begründet sie mit der mangelnden Durchsetzbarkeit des Umgangsrechts. Wenn eine Mutter dem Vater den Umgang mit seinem Kind verweigere, sagen auch Experten, könne das Strafrecht dieses Problem nicht lösen. Obwohl, manche meinen, daß solche Mütter eine "massive Menschenrechtsverletzung" an ihrem Kind begehen.

Aber "eine innere Haltung kann man nicht erzwingen", sagt der Psychoanalytiker. "Das Gesetz kann nicht mehr als die Eltern können." Es kann allenfalls die "äußeren Beziehungsveränderungen" regeln. Die "innerpsychischen Beziehungsveränderungen" kriegt es nicht zu fassen. Ob das gemeinsame Sorgerecht und die vereinbarten Umgangsregelungen sich bewähren, hängt laut Figdor in erster Linie davon ab, "wie sie gelebt werden."

Er erzählt ein Beispiel: Für ein Kind, dessen Eltern sich getrennt hatten, als es ein Jahr alt war, blieb der Vater dennoch immer gegenwärtig, obwohl er es wegen seines weit entfernten Wohnsitzes nur einmal im Monat besuchen konnte. Aber er wurde aus dem Leben zwischen Mutter und Kind nicht hinausgedrängt. Seinen Platz behielt er, zum Beispiel, als das Kind die Farben lernte. Jede Farbe bekam einen Namen: Rot für Mama, blau für Papa, weil das deren Lieblingsfarben waren. "Den Papa", sagt Figdor, "hat es trotz der Trennung ununterbrochen gegeben."

Eine Jugendliche ist denn auch der Ansicht, daß Eltern das gemeinsame Sorgerecht als gesetzliche Vorschrift gar nicht brauchen, wenn "sie als Eltern wirklich geeignet sind". Aber "man muß total Glück haben mit seinen geschiedenen Eltern, damit die mitmachen, was man selber will." Die Realität ist eher, daß die Eltern mit den Kindern machen, was sie wollen. Sie teilen sie unter sich auf wie Hausrat.

"Das Kind verliert wahnsinnig viel Zeit mit der Trennung der Eltern." Wochenenden, die vor allem Jugendliche eigentlich lieber mit ihren Freunden verbringen würden, sitzen sie ab beim getrennt lebenden Elternteil. Aus Pflichtbewußtsein und weil sie ihre Zuneigung zwischen Vater und Mutter gerecht verteilen wollen. "Der Vater", sagt ein Sohn, "hat selbst so viele Probleme und kann's vielleicht brauchen, daß man sich ein bißchen um ihn kümmert." Das eigene Erwachsenwerden muß dabei eben ein bißchen zurückstehen. Was die Kinder absolut nicht ausstehen können: Wenn die Eltern ihre Zuneigung ködern wollen mit teuren Geschenken und aufwendigen Unternehmungen - möglicherweise noch mit dem unterschwelligen Wunsch, den anderen Elternteil damit auszustechen. "Ich will nicht jeden dritten Tag in den Europapark", stöhnt eine.

"Ziemlich unpraktisch" finden sie das in der Fachwelt diskutierte Modell, die Kinder sollten, um den Kontakt nicht zu verlieren, abwechselnd zum Beispiel wochenweise - bei Vater und Mutter wohnen. Allein die zwei Kinderzimmer, die dafür nötig wären, halten sie für reichlich aufwendig. Wenn sie einen Wechsel wollen, dann vielleicht nach ein paar Jahren, wenn sie selber spüren, daß die Zeit und die Beziehung reif dafür sind.

Eine Beratungsstelle aufsuchen und sich Hilfe holen, wenn sie mit der Situation zu Hause nicht mehr zurechtkommen, würden die wenigsten der Jugendlichen. "Die Eltern haben das Vertrauen gebrochen, da würde ich mich nicht einer wildfremden Person anvertrauen." Allenfalls in der Schule, vielleich in einem zwanglosen Nachmittagskurs, meinen sie, könnte sich sowas ergeben. Aber "die Schule ist ja nur zum Lernen da. Da ist kein Platz für sowas." Und Jugendzentren? "Die sind doch meist voller Sozialarbeiter, die dich in irgendeinen Kurs reinzwängen wollen." Einen Ort vermissen die Jugendlichen, wo sie einfach mal hingehen und sich wohlfühlen können, wenn es zuhause drunter und drüber geht. "Wo niemand da ist, der alles organisiert. Wo ich mich gut aufgehoben und gebraucht fühle." An ein selbstverwaltetes Jugendzentrum denken sie dabei. Und erhoffen sich dabei: "Daß ich einfach mal ganz normal sein kann, ohne das mir das Etikett Scheidungskind angehängt wird."

ANITA RÜFFER

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