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Stuttgarter Zeitung
Montag, 04. November 2002

Die Entfremdung zwischen Vater und Kind wächst mit jedem Monat

Beim Streit um das Sorgerecht geht es oft mit harten Bandagen zur Sache: Manche Frauen zeigen den unschuldigen Exehemann gar wegen sexuellen Missbrauchs an

Wenn Eltern nach einer Trennung verfeindet sind, gibt es oft Probleme mit dem Sorge- und Umgangsrecht. Leidtragende sind in vielen Fällen die Väter: Manche Mütter schrecken sogar nicht davor zurück, ihren Expartner des sexuellen Missbrauchs zu bezichtigen.

Von Susanne Janssen

Klaus P. ist auf Richter nicht gut zu sprechen. Zu lange und zu oft schon wurde das Sorge- oder Umgangsrecht um seine mittlerweile achtjährige Tochter Anna vor dem Amtsgericht oder dem Oberlandesgericht verhandelt. Und obwohl der 39-Jährige eigentlich alle zwei Wochen seine Tochter zu sich holen darf, dazu die Hälfte der Ferien, hat er sie jetzt schon seit anderthalb Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Einstweilige Anordnungen, dass er das Kind regelmäßig sehen darf, wurden schon mehrmals verhängt, doch durchgreifen mochte kein Richter. "Die denken immer, vielleicht geht es doch noch auf gutem Wege."

Die Geschichte von Klaus, Anna und der Mutter, die aus einem asiatischen Land stammt, beginnt wie so viele als heile Familie: Klaus lernt seine Frau, auch sie wie er eine Künstlerin, in der Toskana kennen, sie ziehen auf einen Bauernhof im Remstal, richten sich eine gemeinsame Werkstatt ein. Anna kommt zur Welt, doch die Spannungen wachsen. Klaus wirft seiner Frau vor, immer gleich hysterisch zu schreien und gewalttätig gegenüber der pubertierenden Adoptivtochter zu werden. Seine Exfrau, eine Asiatin, kann sich jedoch nicht mit der "Künstlermentalität" ihres Mannes anfreunden. Sie will gerne einen "richtigen Ehegatten", der die Familie ernährt - und nicht nur herumstudierte. Die Eheleute entfremden sich.

Während seine Frau in ihr Heimatland reist, geht Klaus eine Beziehung zu einer anderen Frau ein. Die Quintessenz: die Beziehung ist kaputt. Doch da ist Anna, an der beide Eltern hängen. Klaus schlägt vor, in zwei verschiedene Gebäude auf dem Grundstück zu ziehen - es geht nicht gut. Das Sorgerecht bekommt die Mutter, der Vater holt sein Kind direkt vom Kindergarten ab - das geht ein paar Monate gut.

Dann "macht Anna Mitte März Zicken", so drückt Klaus es aus. "Ich will nicht", schreit das Kind. Ist es erst beim Vater, ist alles wieder im Lot. Doch dann teilt die Mutter dem Vater mit, dass Anna ihn nicht mehr sehen will. Klaus schreibt seiner Tochter Briefe, an den Kindergarten adressiert. Über den Anwalt erreicht ihn ein Brief seiner Tochter: "Lieber Anwalt, ich will keine Briefe mehr vom Papa."

Schließlich ist Anna nicht mehr in der Schule - sondern im Olgahospital. Doch für den Vater nicht zu sprechen. "Beruhigen Sie sich, an dem Vorwurf von sexuellem Missbrauch ist nichts dran", sagt ihm ein Arzt am Telefon. Klaus fällt aus allen Wolken. Und darf seine Tochter nicht sehen. Das Kind sei an einem sicheren Ort. Die Mutter erstattet Anzeige gegen ihn.

An Besuche, an Ferien ist nicht zu denken. Anna wird von einem Psychologen untersucht. Dort wiederholt sie immer wieder die Vorwürfe, "der Papa hat mich mit einer Gesichtscreme unten eingecremt", "der Papa hat mir im Schwimmbad den Finger in den Popo gesteckt". Alles in einem Erzählstil, manchmal mit einem gewissen Lächeln, mit dem sie auch schon bei anderen Untersuchungen dem Vater alle nur erdenklichen negativen Eigenschaften zugeordnet hat. Der Spezialist kommt eindeutig zu dem Schluss: die Aussagen seien nicht sehr realitätsnah, an dem Vorwurf von sexuellem Missbrauch durch den Vater sei absolut nichts dran. Es könne vielmehr sein, dass die Mutter das Kind beeinflusse.

Doch die Zeit läuft, und sie arbeitet gegen den Vater: "Zuerst sollte es betreuten Umgang geben, doch dann passte ihr die Betreuerin nicht." Dann ist das Kind krank. Dann dies, dann das . . . Schon kommt das Argument: "Das Kind kennt den Vater ja gar nicht mehr." Zurzeit sieht er die Kleine manchmal 30 Minuten, unter Aufsicht einer Freundin. Sicher könnte er weiter klagen. "Aber vielleicht bekomme ich sie dann gar nicht mehr zu Gesicht."

Michael R., auch aus dem Rems-Murr-Kreis, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch bei ihm wurde das Verfahren zwischen dem Amtsgericht Backnang und dem 15. Senat des Oberlandesgerichts hin und her geschoben. Er sieht sich einem "abgekarteten Spiel" der Familie seiner Exfrau ausgeliefert. Mit seinen beiden Töchtern, damals neun Monate und vier Jahre alt, besuchte er seine Eltern. Seine Schwester ging mit den Kleinen spazieren. "Plötzlich fuhr meine Frau zu ihrer Familie nach Norddeutschland und behauptete, meine Schwester habe der Kleinen den Finger in den Popo gesteckt."

So ein Vorwurf wird ernst genommen - und das ist auch richtig. So ein Vorwurf haftet wie Klebstoff. Auch wenn der Hausarzt keine Anzeichen für Missbrauch feststellen konnte, riet das Jugendamt sofort, dass Michael besser ein halbes Jahr keinen Kontakt zu den Kindern haben solle. Er klagte zumindest ein betreutes Umgangsrecht wieder ein. Es folgten harmonische Besuche, ein Wochenende im Schwarzwald, "da denkt man sogar an Versöhnung" - und dann wieder monatelang Funkstille. Schließlich sollte er am Amtsgericht das Sorgerecht für die ältere Tochter allein bekommen, für die jüngere sollte ein gemeinsames Sorgerecht ausgehandelt werden. Doch bei der Berufung am 15. Senat des Oberlandesgerichtes wird beschlossen, dass die Kinder besser bei der Mutter aufgehoben seien. Seine Klage auf betreuten Umgang wird nun zwischen Amts- und Oberlandesgericht hin und her geschoben, seit Frühjahr 1996 hat er die Töchter nicht mehr gesehen. Inzwischen gibt das Jugendamt schon zu bedenken, dass die Kinder den Vater ja gar nicht mehr kennen - und deshalb auch keinen Kontakt bräuchten.

"Da wird nur mit Zeitverzögerung gearbeitet", meint Michael R. Am Anfang des Jahres habe er noch gehofft, vielleicht zu Ostern die Kinder wieder zu sehen. Dann zu Pfingsten. Zu den Sommerferien. Jetzt seien drei Viertel des Jahres schon vorbei, "und das Gericht meint immer, auf den einen Monat kommt es doch auch nicht mehr an".

Darüber klagt auch Klaus P.: "Ein Richter meinte, in der Pubertät wollen die Kinder doch von selber den Kontakt zum Vater. Aber das ist doch nicht sicher. Und ich möchte meine Tochter mit aufwachsen sehen." Beide sind sich einig, dass der Missbrauch mit dem Missbrauch inzwischen Methode habe - und auch in Büchern empfohlen werde. Der Wissenschaftler Wolfgang Klenner aus Oerlinghausen hat in einer Studie vier Phasen ausgemacht: das Kind wird mitgenommen, dann soll das Kind zur Ruhe kommen, schließlich wolle das Kind keinen Kontakt zum anderen Elternteil, und wenn alles nicht mehr helfe, werde sexueller Missbrauch vorgeworfen. Ist der Vorwurf dann aus der Welt geräumt, stelle das Gericht Jahre später fest, dass das Kind seinen Erzeuger gar nicht mehr kenne.

Den Vorwurf will Stefan Motzer, Richter am Familiensenat des Oberlandesgerichts, so nicht stehen lassen: "Missbrauch ist ein sehr gravierender Vorwurf, der bei falscher Verdächtigung zu einem Strafverfahren gegen die Frau führen würde." Durch Missbrauch das Umgangsrecht zu vereiteln, sei keine gängige Praxis, er habe das nur in Einzelfällen erlebt. Richtig sei jedoch, dass die Durchsetzung oder Vollstreckung das Nadelöhr im Umgangsrecht sei: "Man kann das zwar sogar bei Widerspruch durchsetzen, aber selbst das Verhängen von Zwangsgeld bringt oft nichts." Und eine Zwangshaft gegen die Mutter habe auch Folgen für das Kind: "Der Gesetzgeber hat das ausdrücklich so gewollt: man darf keine Gewalt gegen das Kind anwenden." Motzer hat auch eine Erklärung, warum die Auseinandersetzungen um die Kinder ständig zunehmen: "Es gibt heute ein Recht auf Umgang, wo es früher aussichtslos war." Väter unehelicher Kinder etwa hätten heute mehr Chancen, ihr Kind zu sehen.

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