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Bild am Sonntag
Sonntag, 16.06.2002

Die verstoßenen Väter

Sie leiden jeden Tag, weil sie ihre Kinder nicht sehen dürfen

Von Birgit Schmidt

"Jedes Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil (...). Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt (...)." Paragraph 1684 Absatz 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Es ist eine einfache Anweisung, erlassen vom deutschen Gesetzgeber - für den Ausnahmefall, der fast zur Regel geworden ist: Allein im Jahr 2000 endeten laut Statistischem Bundesamt 194 000 Ehen vor dem Scheidungsrichter. Betroffen: 148 000 Kinder. "Nur ein Drittel der Geschiedenen einigt sich gütlich", sagt Detlef Naumann (41) vom Verein Väteraufbruch für Kinder. Der Rest streitet oft jahrelang weiter - meistens um das Sorge- und Umgangsrecht, auch bei den nicht ehelichen Kindern. "Ein Streit, den in fast 90 Prozent der Fälle die Mutter gewinnt", sagt Naumann. Dem Mann bleibt meist nur ein Vatersein auf Stundenbasis. Oft sehen sie ihre Kinder monate-, manchmal jahrelang nicht. "Ein Prozess kann sich bis zu anderthalb Jahren hinziehen", sagt Professor Siegfried Willnutzki (68), ehemaliger Direktor des Amtsgerichts Brühl. Folge: "Für viele Männer geht der Sinn des Lebens verloren, wenn sie nicht mehr für ihre Familie sorgen können. Viele werden krank, verlieren entweder das Interesse an ihrer Arbeit oder werden zu Workaholics", sagt Professor Gerhard Amendt (62) von der Universität Bremen, der eine Studie über die Psyche von Scheidungsvätern (www.vaeterstudie.de) verfasst.

In BamS erzählen fünf verstoßene Väter von ihren Ängsten - und ihren Kindern.

Fall 1
Vor Gericht kämpft er um seine Tochter

"Man kann mir nur einen Vorwurf machen: dass ich meine Kinder zu sehr liebe", sagt Schauspieler Mathieu Carrière ("Das Mädchen Rosemarie"). Der Charakterdarsteller kämpft derzeit nur für ein Ziel: dass er mit seiner Tochter Elena Sophie (5) so oft zusammen sein darf, wie sie und er möchten. Die Mutter seiner zweiten Tochter, eine Hamburger Kostümbildnerin, verliess ihn im Dezember '99 und nahm die Tochter mit. Das alleinige Sorgerecht hat sie. "Weil wir nicht verheiratet sind. Das bedauere ich heute immer noch", sagt Carrière. Im Jahr 2001 sah er Elena "häppchenweise nach Diktat" an 42 Tagen. Der 51-jährige ist wütend. Wütend auf das System. Erschrocken über die eigene Recht- und Hilflosigkeit und das Gefühl, entmündigt zu sein. "In der deutschen Justiz herrschen vor allem zwei Vorurteile: Die Mutter ist der bessere Elternteil. Und dass ein Kind nur einen Lebensmittelpunkt haben darf. Warum?" Für ihn ist die Situation seelische Folter. "Es ist wie eine offene Wunde, die nicht heilen will. Wenn jemand stirbt, kann man damit abschliessen und trauern. Aber mein Kind lebt noch!" Ein Heiratsantrag noch im letzten Dezember, Schlichtungstermin beim Mediator - alles scheiterte.
"Du kriegst das Sorgerecht nie", habe ihm seine Expartnerin gesagt. Am 11. Februar reichte Carrière Klage ein, weil er seine Tochter trotz Terminabsprachen immer weniger sah. Wann das Urteil kommt - ungewiss. Aus Verzweiflung überlegt der Schauspieler, in den Hungerstreik zu treten. "Das Schlimmste ist, dass man für sein eigenes Kind nicht da sein kann, wenn es einen darum bittet."

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Verlassen
Dreieinhalb Jahre lang zog Schauspieler Mathieu Carrière (51) seine kleine Tochter Elena (5) gemeinsam mit deren Mutter auf - bis die Frau ihn verließ

Fall 2
Sally (10) und Gina (12) leben auf einem anderen Kontinent

"Ich glaube nicht mehr an Recht und Gesetz." Engelbert P. (46) aus einer Kleinstadt in Baden-Württemberg ist kein Verbrecher - er ist Vater. Ein Vater, der nicht weiß, wann er seine Töchter wiedersehen wird. Denn Gina (12) und Sally (10) sind auf der anderen Seite der Erdkugel - in Australien. Der technische Kaufmann ahnte nichts, als seine Ex-Frau ihm 1998 verkündete, sie werde mit den Mädchen Urlaub in Australien machen. Dass sie nur One-Way-Tickets gebucht hatte, erfuhr er erst später. Engelbert P. klagt in Australien auf Rückführung - und gewinnt. Mutter und Töchter kommen freiwillig zurück. Was dann folgt, nennt Engelbert P. "Vaterschlachten in Richterrobe": Das Oberlandesgericht Stuttgart spricht der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Sie reist mit den Kindern sofort ab. Der Vater wird vom Unterhalt freigestellt. "Damit ich mir die teuren Flüge zum fünften Kontinent überhaupt leisten kann", sagt er bitter. "Das ist kein Urteil, sondern ein Freibrief zur Kindesentführung!" Unfassbar: Im März verklagte ihn seine Ex-Frau plötzlich doch auf Kindesunterhalt - und bekam Recht. "Das ist doch Justizirrsinn! Ich zahle den Unterhalt. Aber wie soll ich mir jetzt die Besuchsreisen leisten? Beim letzten Abschied hat meine Kleine sich weinend an mich geklammert. Ist das Kindeswohl?

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Krank vor Sehnsucht
Engelbert P. (46) sieht seine Töchter Sally (links, 10) und Gina (12) nur einmal im Jahr - wenn er sich den Flug nach Australien leisten kann. Die Mutter nahm die Kinder einfach mit

Fall 3
Seit 12 Wochen hat er seine Kinder weder gesehen noch gehört

"Papa war das erste Wort, das meine Tochter Mona sagen konnte", erinnert sich Ingo A. (39), Rechtsanwalt aus dem Ruhrgebiet. "Papa" - das hat er seit dem 31. März, 18 Uhr, nicht mehr von seiner Tochter (8) gehört. Zweieinhalb Jahre kämpft er darum, dass seine Noch-Ehefrau (35) nur eins erlaubt: "Sie soll mich einfach mein Kind jedes zweite Wochenende sehen lassen!" Ingo A. hat schon jede Ausrede gehört: "Das Kind ist krank, das Kind will nicht, dringender Termin." Und so weiter. Jetzt kommt die 35-jährige einfach nicht zu den gerichtlich angeordneten Treffen beim Kinderschutzbund in einer Kleinstadt. 100 Kilometer fährt Ingo A. jedes Mal dorthin, nur um dann festzustellen, dass er seine Tochter wieder nicht in die Arme schliessen kann. "Ich weiss noch nicht einmal, ob es meiner Tochter gut geht", sagt er verzweifelt. Denn seine Noch-Ehefrau geht nicht mehr ans Telefon. "Ich schreibe jetzt Postkarten an die Schule meiner Tochter."

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Auf Entzug
Obwohl es auf dem Foto anders aussieht (oben), war die Ehe im Oktober 2000 schon kaputt. Sechs Monate am Stück entzog die Ehefrau (35) ihrem Mann (39) die Tochter. Ihm bleiben nur die Bilder (links), die Mona bei ihren seltenen Besuchen für den Papa malt

Fall 4
Mit falschen Vorwürfen fast zugrunde gerichtet

Der Kampf um seine Kinder hätte ihn fast die Existenz gekostet. "Können sie sich vorstellen, was es heißt, als Polizist von der eigenen Frau wegen sexuellen Missbrauchs an der Stieftochter angeklagt zu sein?", fragt Manfred H. (34). Acht Monate vom Job suspendiert, neun endlose Verhandlungstage - Manfred H. wurde im Februar 2002 freigesprochen. Seine eigenen Kinder Manfred (15) und Katharina (11) sagten gegen die Halbschwester (17) aus, die die Mutter mit in die Ehe gebracht hatte, und entlasteten ihren Vater. Nur die Spitze eines drei Jahre dauernden Scheidungskriegs mit ständig wechselnden Strafanzeigen wegen Beleidigung, Bedrohung etc. Anderthalb Jahre, bis August 2001, gab es eine totale Kontaktsperre zu beiden Kindern. Als sein Sohn 14 wurde, rief er vergangenes Jahr seinen Vater an: "Papa, hol mich sofort ab!" Er war es leid, zu hause als Sohn eines Kinderschänders beschimpft zu werden. Als auch die Tochter zu ihrem Vater wollte, ließ die Mutter das Kind vergangenes Jahr für drei Monate in die Psychiatrie zwangseinweisen. Manfred H. erklagte ein Besuchsrecht für seine Tochter. Alle drei Wochen kommt das Mädchen nun übers Wochenende zu ihm, würde am liebsten ganz einziehen. Aber die Mutter lässt sie nicht.

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Fast wieder eine Familie
Manfred H. (34) genießt es, wenn er nach anderthalb Jahren totaler Kontaktsperre beide Kinder (15 und 11) in die Arme nehmen kann und alle zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin am Familientisch sitzen

Fall 5
Sie wohnen nur 200 Meter voneinander entfernt - und sahen sich erst sechs Mal

Seit Dezember vergangenen Jahres ist Jörg H. (31) aus Norddeutschland stolzer Papa eines Sohns: Lukas. Zuletzt gesehen hat er das Baby vor acht Wochen - obwohl sie nur 200 Meter auseinander wohnen. Geblieben ist dem Naturschutzwart, der schon zwei Kinder aus einer früheren Beziehung hat, nur das kleine Foto. Einen Monat nachdem er und seine damalige Freundin (32) erfuhren, dass sie Eltern werden, machte sie Schluss, brach den Kontakt fast komplett ab. Von der Geburt erfuhr Jörg H., weil ihm Bekannte gratulierten. Der frisch gebackene Papa brach weinend zusammen. "Ich wusste nicht einmal, dass ich Vater geworden bin", sagt er. Sechs Mal hat er seinen Sohn in dessen Leben erst gesehen. "Ich will doch einfach nur sein Vater sein! Ich will doch nur, dass er mich kennt!", sagt Jörg H. Warum klagt er nicht? Ich habe das alles schon einmal durchgemacht mit meinen ersten beiden Kindern. Noch mal steh ich das nicht durch."

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Auf Abstand. So gern würde Jörg H. (31) seinen Sohn Lukas (5 1/2 Monate) auf den Arm nehmen


Sorgerecht, Umgangsrecht, Unterhalt - Paragraphen regeln die Schicksale
Ute Balten (51), Vizepräsidentin der Hanseatischen Rechtsanwaltkammer Hamburg und Fachanwältin für Familienrecht, erklärt: "Nach einer Scheidung behalten die Eltern das gemeinsame Sorgerecht, das Recht und die Pflicht, sich um das Kind zu kümmern." Das Aufenthaltsbestimmungsrecht - das Recht zu entscheiden, wo das Kind sich aufhalten darf - wird oft nur einem Elternteil zugesprochen, damit es nicht ständig Streit gibt. Die grössten Probleme haben unverheiratete Väter: "Die Mutter hat automatisch das alleinige Sorgerecht", sagt Ute Balten. Der Mann bekommt nur dann das gemeinsame Sorgerecht, wenn die Mutter zustimmt. "Tut sie es nicht - keine Chance." Dem Vater bleibt nur ein Umgangsrecht - das Recht, sein Kind regelmäßig zu sehen und Zeit mit ihm zu verbringen. Die Praxis: "Alle 14 Tage ein Wochenende, jeden zweiten Feiertag und die Hälfte der Ferien." Trotzdem muss der Vater für Kinder unter 18 Jahren immer Unterhalt zahlen. Die Höhe ist abhängig vom Alter des Kindes und dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und wird individuell festgelegt. "Ist das Kind volljährig, zahlen beide Eltern anteilig, wenn es um Studium oder Ausbildung geht, im Einzelfall sogar über das 27. Lebensjahr hinaus."

Jeder dritte Vater zahlt einfach nicht
Viele Väter bekommen ihr Recht nicht, aber viele vernachlässigen auch ihre Pflichten: Jeder dritte zahlt nach der Trennung keinen Unterhalt. "2,4 Millionen Kinder in Deutschland leben bei nur einem Elternteil, meistens bei der Mutter", sagt Peggi Liebisch (39), Geschäftsführerin des Verbandes allein erziehender Mütter und Väter aus Bonn. "Wir schätzen, dass rund 800 000 Väter keinen Unterhalt zahlen." Hauptgrund: "Wenn Väter nicht mehr in der Familie leben, verlieren sie oft den Bezug zu den Kosten und glauben, die Frauen würden sich mit dem Geld ein schönes Leben machen. Dass aber eine Familie ohne Unterhalt oft in die Sozialhilfe abrutscht, wird gern vergessen."

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