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Das Kind als Waffe der Mütter

Das Kindschaftsrecht soll reformiert werden. Die zwei umstrittenen Kernpunkte: Sollen Eltern, wenn sie sich scheiden lassen, weiterhin gemeinsam das Sorgerecht ausüben dürfen? Und welche Rechte sollen Väter im Umgang mit ihren nichtehelichen Kindern erhalten? In diesem Moment wird der Gesetzentwurf der Bundesregierung erneut im Bundestag beschlossen.

Väter wollen für ihre Kinder sorgen - auch nach der Trennung einer Partnerschaft. Doch viele Mütter stellen sich quer: sie vereigern ihnen den Umgang mit den Kindern, sagt die Diplom-Psychologin Ursula Kodjoe. Sie hat die psychische und soziale Situation von Vätern, die unter "Kindesentzug" leiden, wissenschaftlich untersucht und kennt sie auch als Trennungs- und Scheidungsberaterin für Paare. Mit ihr sprach BZ-Redakteurin Mechthild Blum.

Nützen Mütter nach einer Scheidung ihre Macht zu sehr aus?
Machtmißbrauch findet vor allem da statt, wo sich die Frau während der Ehe relativ machtlos gefühlt hat. Das wird dann - allerdings auf Kosten der Kinder - ausgeglichen. Sie glauben in dem Moment, daß nicht nur für sie, sondern auch für die Kinder eine weitgehende Trennung das Beste wäre. Sie akzeptieren zwar, daß Kinder ihren Vater ebenso brauchen wie die Mutter. Nur: in ihrem speziellen Fall eben gerade nicht. Nicht diesen Vater. Sie sehen die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht, weil diese ihren eigenen genau entgegengesetzt sind: Die Kinder wollen keinen Elternteil verlieren. Sie lieben ihre Mutter und sie lieben ihren Vater. Und zwar nicht den perfekten Vater und die perfekte Mutter, sondern die Eltern, die sie haben.

Entscheidungen über Sorge- und Umgangsrecht werden aber doch nicht von der Mutter getroffen...
Ein Kriterium, das von den zuständigen Behörden bei strittigen Sorge- und Umgangsregelungen noch immer herangezogen wird, ist die Frage nach dem "besseren" Elternteil. Es wird wild gefahndet nach dem, den das Kind mehr liebt (wenigstens ein bißchen mehr) und der das Kind mehr, besser, umfassender fördert. Das geht an den Bedürfnissen der Kinder vorbei: die mögen mal den einen, mal den anderen mehr, und mit jeder Art der Förderung fangen sie irgendetwas an.

Ich möchte es so sagen: Eltern sind nicht "kündbar", auch wenn einer nicht mehr erwünscht ist oder plötzlich "nicht mehr gut genug". Es erscheint mir wie eine unglaubliche Anmaßung, "zum Wohle des Kindes" einen Elternteil aus dessen Leben auszugrenzen.

Aber wenn das Kind bei mir lebt, muß ich täglich für das Kind Entscheidungen treffen. Da kann ich doch nicht wegen allem und jedem auch noch den ehemaligen Partner fragen ...
Ich unterscheide zwischen Verantwortung und Zuständigkeit. Ganz klar: Wo das Kind lebt, entscheidet die Mutter oder der Vater, mit dem es lebt, was es anzieht, ob es ins Schullandheim geht oder ob es Geige spielt oder was auch immer mit dem Kind zusammen. Das sagt der gesunde Menschenverstand. Aber Entscheidungen bei Entwicklungs- und Erziehungsproblemen oder über den Bildungsweg sollten zwischen den Eltern abgesprochen werden. Und es darf nicht sein, wie heute noch, daß ein nicht sorgeberechtigter Elternteil kein Recht hat, in der Schule nachzufragen, kein Recht hat, sein Kind im Krankenhaus zu besuchen. Das genau führt dazu, daß sich "Nichtsorgeberechtigte" völlig ausgegrenzt, entmachtet und ihrer Elternidentität beraubt sehen.

Über die Hälfte der Väter bricht ein Jahr nach der Scheidung den Kontakt zu den Kindern ab, die bei der Mutter leben. Ich kann das - aus Kindersicht - nicht für einen Liebesbeweis halten.
Ja, es gibt die "verschwundenen" Väter. Jede Begegnung würde sie wieder mit den eigenen Schuldgefühlen konfrontieren. Sie vermeiden jedes Zusammentreffen mit der Exfrau und den Kindern. Sie stehen nicht zur Verantwortung für die Familie. Andere Väter aber gehen bei einer Scheidung davon aus, daß sich die Beziehung zu ihren Kindern zwar ändert, sie ihre Kinder aber nicht verlieren. Das stellt sich häufig als fataler Irrtum heraus. Wenn diese Väter dann mit allen Mitteln um ihre Kinder kämpfen, wird das als Machogehabe und als Machtkampf interpretiert. Geben sie dennoch nicht auf, so sind sie "Querulanten". Das Recht auf regelmäßige Zusammenkünfte mit den Kindern wird in solchen Fällen vom Familiengericht häufig auf Drängen der Mutter erstmal ausgesetzt, damit die Kinder (!) zur Ruhe kommen und später kann es mit dem Hinweis auf den abgebrochenen Kontakt ganz gekappt werden. Die dritte Gruppe sind diejenigen Väter, die von Geburt an eine enge Bindung an ihre Kinder haben und dennoch den Kontakt abbrechen. Sie haben ein gutes Gespür für den Schmerz, die Wut und die Ängste ihrer Kinder und glauben, es sei für alle besser, einen endgültigen Schnitt zu machen. Viele werden psychisch und körperlich krank.

Was soll ein gemeinsames Sorgerecht daran ändern?
Es kann langfristig etwas im Bewußtsein der Eltern ändern, die sich trennen wollen. Ihnen könnte klar werden, daß ihre Elternschaft und damit die gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung ihrer Kinder weitergeht, auch wenn sie als Ehepaar geschieden werden.

Bewußtseinsänderung hin oder her - wenn zwei sich nur noch bekämpfen, dann wird ein gemeinsames Sorgerecht den Kindern kaum etwas nützen...
Das ist richtig. Alle Sorgerechtsmodelle sind letztendlich juristische Etiketten. Scheidung ist zu Recht als "emotionaler Super-Gau" bezeichnet worden. Bei der Bewältigung der Verlust- und Verlassenheitsängste, der Verletzungen und Enttäuschungen können kein Anwalt und kein Richter helfen. Es gibt dennoch die Möglichkeit, Scheidung konstruktiv zu bewältigen. Ohne daß die Lebensqualität aller Beteiligten auf Jahre hinaus ernsthaft beeinträchtigt ist. In allen Studien über Trennung und Scheidung wünschen sich über drei Viertel aller betroffenen Männer und fast so viele Frauen Beratung. Viele denken Jahre nach ihrer Scheidung, daß sie dann vieles besser bewältigt hätten. Im nachhinein erkennen sie, in welchem Maße die Kinder von ihnen als Verbündete, als Tröster, als Spione etc. mißbraucht wurden.

Wie ist die psychische Situation von Vätern, denen der Kontakt zu ihren Kindern verweigert wird, obwohl sie ihn suchen?
Männer müssen in Scheidungskrisen neunmal sooft wie Frauen in Psychiatrischen Kliniken stationär behandelt werden. Getrennt lebende Männer leiden sehr stark unter Depressionen, sie sind suizidgefährdet, flüchten häufig in Alkohol- oder Drogensucht. Sie haben ein sehr hohes Unfallrisiko, und sie sterben früher.

Wow! Also Männer verkraften so eine Trennung weniger gut?
Ja. Das hat etwas damit zu tun, daß das Äußern von Angst, Einsamkeit, Verlassenheit noch immer als unmännlich betrachtet wird. Deswegen sprechen Väter nicht so offen über ihre Angst, die Kinder zu verlieren.

Frauen verlieren ihre Kinder auch nicht gern...
... und sie laufen Gefahr, als Rabenmutter eingestuft zu werden, wenn sie die Kinder gern beim Vater lassen würden. Viele Frauen beziehen jedoch ihre Männer nicht wirklich in die ganzen Kindergeschichten vom Babyalter an ein, aus Angst, ihr einziges Terrain, das unbestritten immer ihres war, zu verlieren - und das nicht zu Unrecht: denn immer in Zeiten wirtschaftlicher Rezession waren es zuerst die Frauen, die arbeitslos wurden und zu Kindern und Küche zurückgedrängt wurden. Dann läuft in der Regel die Beziehung der Kinder zum Vater über die Mutter.

Sie meinen, Mütter sind daran Schuld, wenn Väter gegenüber ihren Kindern "fremdeln" ..
Mit Schuld hat das nichts zu tun, eher mit der traditionellen Rollenverteilung in der Familie: Tagsüber erklärt Mama ihren Kleinen, wo der Papa ist und was er macht. Abends berichtet sie ihrem Mann, was die Kinder so machen. Sie ist also eine Art Moderatorin zwischen Kind und Vater. So erklärt sich, warum über ein Viertel der Väter, die sich vorher eigentlich nie um die Kinder wirklich gekümmert haben, nach einer Trennung sehr engagierte Väter werden. Weil sie dann zum ersten Mal den direkten Kontakt zu ihren Kindern haben.

Man kann also sagen, wenn das Sorgerecht nur bei einer Person liegt, egal ob bei Vater oder Mutter,...
...ist dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet.

...dann ist erstmal die andere Seite gekränkt und zieht sich bevorzugt zurück.
Da, wo das Zusammensein mit den Kindern nicht behindert wird, viel seltener. Übrigens verhalten sich Väter mit dem Kinderumgang für die Mütter eher großzügig. Das wurde schon in vielen Studien nachgewiesen: Ein Drittel sahen mindestens einmal die Woche die Kinder, und zwar so lange sie wollten - von den Vätern nur halb so viele.

Und sie meinen, das ändert sich, wenn der Gesetzgeber den beiden getrennt lebenden Eltern das Recht beläßt, für ihre Kinder zu sorgen?
Ich erwarte mir von dem neuen Kindschaftsrecht, daß es langfristig das Bewußtsein der Eltern verändert. Daß es die Rechte der Kinder in den Vordergrund stellt und die Pflichten der Eltern betont. Daß auch den Männern klar wird, Väterlichkeit erschöpft sich nicht in Unterhaltszahlung. Väterlichkeit heißt, tatsächlich für das Kind da zu sein.

Frauen beklagen ja gerade, daß sie die ganze Arbeit mit den Kindern haben, und der Mann kommt, macht einen auf tollen Vater, und fährt mit denen auf der Messe Riesenrad. Das ist doch keine Erziehungsbeteiligung, keine Beteiligung an der Bewältigung der Alltagsarbeit.
Warum fährt er auf der Messe Riesenrad? Warum werden Männer zum Disneyland-Daddy? Diese Väter haben eine unglaubliche Angst, ihre Kinder könnten denken, daß sie sie nicht lieben. Sie haben Angst, die Kinder zu verlieren und verfallen in den Wahn, ihnen alles bieten zu müssen in den paar Stunden, in denen sie mit ihnen zusammensein dürfen. Aber das Geheimnis der Beziehung liegt darin, so viel Normalität wie möglich zu leben.

Die Kinder und die Eltern, die die Scheidung am unbeschadetsten überstehen, hatten die Möglichkeit gesucht und gefunden, so weit es geht normal im Rahmen dieser zwei getrennten Haushalte mit den Kindern zu leben. Das heißt, auch der Vater hat ein Kinderzimmer, auch der Vater kann außer Spiegeleier braten auch Spagetti und sonst was kochen, die Kinder machen auch beim Vater Hausaufgaben, die Kinder haben auch beim Vater gewisse Pflichten. Und sie haben die Möglichkeit, mit ihrem Vater zu sprechen, wie der Vater die Möglichkeit hat, mit ihnen zu reden, mit ihnen Probleme zu lösen, mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen.

Und die Mütter, wenn sie klug sind, schaffen sich die Möglichkeit, diesen Vater, wenn er in erreichbarer Nähe lebt, anzurufen und zu sagen, du, ich möchte ein Fortbildungsseminar machen, kannst du die Kinder übernehmen...

Ich finde das toll. Ich muß nur sagen, ich kenne nicht viele Väter, die so mit ihren Kindern umgehen. Ich kenne nur geschiedene Väter, die sagen: Oh Gott, jetzt muß ich mit meiner Tochter allein in Urlaub fahren, was soll ich denn mit der machen...
Sehr viele Väter sind tatsächlich nicht vorbereitet, wenn sie in einer Familie mit traditioneller Rollenverteilung gelebt haben. Sie können es aber genauso wie die Frauen lernen. Oftmals können sie es von einem Tag auf den anderen, wenn zum Beispiel die Mutter sirbt.

Gibt es diesen Typ "neuen Vater" schon?
Es gibt ihn analog zum Typ "neue Frau". Wichtig ist, daß wir die Entwicklung der Kinder im Auge haben und ihnen ihr Recht auf die Beziehung zu beiden biologischen Eltern sichern. Sei es innerhalb der Familie, in einer Mehrelternfamilie oder in welcher Lebensform auch immer. Ebenso wie Frauen bereits Anteil haben werden an der Berufswelt, an Erfolg und Unabhängigkeit, wollen Männer Anteil haben an der Familienwelt mit ihrer Wärme, Zärtlichkeit und Menschlichkeit.

Ursula Kodjoe, Diplom-Psychologin, arbeitet in Freiburg als Mediatorin für Trennung und Scheidung in eigener Praxis.

Dieser Artikel enthät eine Grafik, aus der zu entnehmen ist, daß von 169 425 Ehescheidungen 1995 in Deutschlad 54,7% Familien mit Kindern unter 18 Jahren betrafen.
Und 1995 Gerichte folgendermaßen bei Sorgerechtsverhandlungen entschieden:
zugunsten von... in Deutschland in Baden-Württemberg
...nur des Vaters
...nur der Mutter
...beider Eltern
8,2%
75,8%
16,0%
7,4%
59,6%
23,0%

Die Quelle der Grafik war: Stat. Bundesamt; Stand 1995

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