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Wochenmarkt
Mittwoch, 11. September 2002

Scheidung muss für Kinder kein Trauma sein
Wenn Eltern sich trennen


Einige Wochen nachdem der Vater, ein vielbeschäftigter Mediziner, ausgezogen war, bekannte sein zehnjähriger Sprössling: "Ich finde das gar nicht so schlecht, jetzt hast du endlich vielmehr Zeit für mich".

Solche verblüffend positiven Einschätzungen höre sie häufig von Kindern, sagt Petra Kufner, die als Diplom-Psychologin neun Jahre lang Gruppen für Scheidungskinder geleitet hat. Nach ihren Beobachtungen können Kinder durchaus die Trennung ihrer Eltern verarbeiten - vor allem dann, wenn sie die Gewissheit haben, dass sich Vater und Mutter zwar vom jeweiligen Partner scheiden lassen, nicht aber vom Kind.

"Die Trennung der Eltern ist für Scheidungskinder akut belastend, langfristig lassen sich beim Gros aber kaum negative Konsequenzen feststellen." So fasst Professor Sabine Walper, Jugendforscherin, die Ergebnisse verschiedener Studien in Deutschland zusammen.

Walper leitet gemeinsam mit Professor Noack das Projekt "Familienentwicklung nach der Trennung", bei dem 6000 Schülerinnen und Schüler aus ganz verschiedenen Familienkostellationen bislang vier Mal zu ihrer Lebenssituation befragt wurden. Nach dieser Langzeituntersuchung tragen nicht die Kinder aus Scheidungsfamilien die größte Last, sondern Kinder, deren Eltern trotz ständigen Streits zusammenbleiben.

"Die Konflikte 'schwappen' in das Erziehungsverhalten hinüber", erläutert Walper. Zudem befänden sich die Kinder ständig in einem Loyalitätskonflikt. "Sie sitzen zwischen allen Stühlen: Sobald sie dem einen Elternteil ihre Zuneigung zeigen, ist der andere beleidigt."

Wenn alles gut läuft, ist das Leben der Kinder im Schnitt zwei Jahre nach der Trennung wieder in der Balance, sagen Walper und Psychologin Kufner übereinstimmend. Bis dahin müssen sich Eltern mit schlechteren Schulnoten oder unerklärlichen Gefühlsausbrüchen abfinden. Als ernstes Alarmzeichen gilt es, wenn Kinder ständig aggressiv sind, an ihren Nägeln kauen, plötzlich einnässen oder aber ganz leise und still werden.

Wer die Belastungen für seine Kinder möglichst gering halten will, sollte über die Scheidung so früh wie möglich sprechen, rät Diplom-Psychologin Toni Singer. "Viele Kinder haben mir berichtet, dass sie mit Papa, Mama oder Oma in Urlaub gefahren sind, und als sie zurückkamen, war ein Elternteil einfach weg", sagt Psychologin Kufner. wer von den eigenen Eltern derart überrumpelt wird, fühle sich ohnmächtig und ausgeliefert. "Die Kinder haben den Eindruck: Egal, was ich sage, es hilft ja sowieso nichts." Nicht selten entwickelten sie ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber den Erwachsenen, boykottierten gemeinsame Aktivitäten und seien nicht mehr bereit, über ihre Gefühle zu reden.

Bei den Gesprächen im Vorfeld der Scheidung, an denen am besten beide Elternteile teilnehmen, muss ganz deutlich werden, dass der Sohn oder die Tochter keine Schuld an der Trennung der Eltern trägt, mahnt Psychologin Singer. Gerade Kinder im Alter zwischen vier und zwölf Jahren, die unter einer Scheidung ohnehin am stärksten leiden, entwickelten oft nagende Zweifel. "Die sagen sich dann: Ich war nicht brav genug, deshalb trennen sich meine Eltern."

Im Interesse der Kinder sollten sich die ehemaligen Partner auch auf klare Besuchsregelungen für den Elternteil einigen, der den gemeinsamen Haushalt verlassen wird. Das alles kann nur gelingen, wenn sich die Erwachsenen ein Mindestmaß an Verständigungsbereitschaft bewahrt haben, sagt Psychologin Singer. Auch wenn es schwer falle, sollten Eltern einander im Streit nicht so verletzen, dass keine gemeinsame Basis mehr da ist. Singer empfiehlt, sich Unterstützung bei einem Freund oder einer Freundin zu suchen.

-gms-


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