Presseschau
Auf dieser Seite finden Sie "vereinsfremde" Presseartikel.
Artikel rund um unseren Verein finden Sie hier.


Südwestpresse
Donnerstag, 03. März 2005

FALL JESSICA / Neue Erkenntnisse

Psychiater: "Das ist aktive Folter"

Mutter vernachlässigte weitere Kinder

Immer weitere schreckliche Details im Fall der verhungerten Jessica kommen ans Tageslicht. Ein Mediziner sagte: "Das ist aktive Folter, keine Vernachlässigung."

HAMBURG Die Mutter der in Hamburg qualvoll verhungerten siebenjährigen Jessica hat schon früher weitere eigene Kinder vernachlässigt. Nach Berichten von "Spiegel" und "Focus" hatten sowohl eine Tante der 35 Jahre alten Frau als auch ihr Ex-Mann vor 14 Jahren und 1999 die Behörden darüber informiert. Die in Untersuchungshaft sitzende Mutter habe bereits ihren ersten Sohn in einem abgedunkelten Zimmer eingesperrt. "Der Kleine sah übel aus und war total verstört", sagte die Tante. Der damals acht Monate alte Bub sei dann zu Adoptiveltern gekommen.

Auch der spätere Ehemann der 35-Jährigen berichtete von Vernachlässigungen bei den gemeinsamen beiden Kindern. "Sie kümmerte sich nicht um die Kleinen, wechselte keine Windeln, kochte kein Essen", sagte er. Schließlich habe er sich scheiden lassen und das Sorgerecht bekommen.

Der Mann wirft den Behörden Untätigkeit vor, denn er habe bereits 1999 das Jugendamt informiert.

Jessicas Mutter hatte am vorigen Dienstag einen Notarzt gerufen, weil das Mädchen leblos im Bett lag. Die Obduktion ergab, dass die Kleine an Erbrochenem erstickt war. Das Kind war bei nur noch 9,5 Kilogramm Körpergewicht völlig ausgetrocknet.

Der ärztliche Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Peter Riedesser, sagte dem "Spiegel": "Das ist aktive Folter, keine Vernachlässigung, und nur damit erklärbar, dass die Eltern als Kinder selbst schwer traumatisiert wurden." Nach Polizeiangaben hatten die Mutter und der ebenfalls inhaftierte 49 Jahre alte Vater bei ihren Vernehmungen jedes Schuldbewusstsein vermissen lassen.

Der Sprecher der Schulbehörde, Alexander Luckow, wertete den Vorfall als "fatalen und tragischen Irrtum". Ein Mitarbeiter hatte das Nichterscheinen des Mädchens zur Einschulung 2004 nicht dem Jugendamt gemeldet. "Es war ein tragischer Irrtum", sagte Luckow. Der Mann habe den Eltern lediglich einen Bußgeldbescheid geschickt.
dpa

In unserem Forum können Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel äußern.
Verweisen Sie dabei bitte auf http://www.vafk-sbh.de/FremdePresse/Artikel262.html

Zum Seitenanfang