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FAZ
Montag, 11. März 2002

Unrecht und spätes Leid

Großeltern von Scheidungskindern formieren sich / Von Bernd Fritz

FRANKFURT, 10. März. Ausgerechnet die Initiatorin fehlte: Großmutter Rita Boegershausen war krank, und die Fahrt von Essen nach Frankfurt wäre zu beschwerlich gewesen. Alle anderen aber waren am Samstag um elf Uhr im Frankfurter DGB-Hauses erschienen: Großeltern aus ganz Deutschland, die mit den Großeltern Boegershausen das Schicksal eint, nach dem Scheitern der Ehen oder Beziehungen ihrer Kinder keinen Umgang mehr mit den Enkeln zu haben. Die alten Herrschaften verstehen die Welt nicht mehr. Neben dem Trennungsschmerz müssen sie eine für sie unbegreifliche Ungerechtigkeit dulden. Denn sie haben das Pech, Großeltern väterlicherseits zu sein. Während ihnen gerichtlich untersagt würde, berichtet eine Großmutter aus Würzburg, das eigene Enkelkind auf der Straße zu begrüßen, dürften die in Sichtweite wohnenden Eltern der ehemaligen Schwiegertochter ihr Glück tagtäglich genießen. Eine Leidensgenossin aus Köln hatte ihren Enkel von der achten Lebenswoche an fünf Jahre lang betreut, da die Mutter berufstätig war. Nach der Scheidung verzog die Schwiegertochter ins 600 Kilometer entfernte München. Zu sehen bekamen Oma und Opa den Kleinen nicht einmal mehr an Weihnachten.

Die meisten der vom Umgang mit den Enkeln ausgeschlossenen Großeltern sind Opfer der in Deutschland herrschenden Benachteiligung von Vätern in sorge- und umgangsrechtlicher Hinsicht. Einige Großeltern setzen daher Hoffnungen in den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der die Bundesrepublik in den letzten Jahren mehrfach auf diese Schieflage hingewiesen und vom Umgang ausgeschlossenen Vätern hohe Entschädigungen zugesprochen hatte. Ein Großelternpaar aus Düsseldorf immerhin erfreut sich nach dreijähriger Pause nun der Gegenwart seiner Enkeltochter bei den Umgangsterminen ihres Sohnes. Bei vielen Teilnehmern aber ist nicht einmal das möglich. Auf Antrag der sorgeberechtigten Mutter, die den Kontakt ihrer Kinder zu den Schwiegereltern nicht wünscht, darf ein bayerischer Vater, der bei seinen Eltern wohnt, den Umgang nur außerhalb wahrnehmen.

Während in dem 1998 in Kraft getretenen neuen deutschen Kindschaftsrecht das Recht jedes Kindes auf Umgang mit seinen Eltern Gesetz wurde, erfährt das dort gleichfalls enthaltene Recht von Großeltern und Geschwistern auf Umgang eine deutliche Einschränkung. Dieser kann nur stattfinden, wenn er "dem Wohl des Kindes dient" (Paragraph 1685 BGB). Im Fall eines Großvaters aus dem Ruhrgebiet ist diesem nur dann gedient, wenn der Umgang mit den Enkelkindern nicht über die "Zusendung eines aktuellen Farbfotos der beiden Enkelkinder zu jedem Weihnachtsfest" hinausgeht. Den größten Erfolg auf dem Weg, über die Familiengerichtsbarkeit den eigenen Umgang zu erreichen, stellte ein Großelternpaar aus Hessen vor: Es darf seine Enkel viermal im Jahr für jeweils vier Stunden sehen. In anderen Fällen wird der Umgang nur bei Anwesenheit eines Verfahrenspflegers gestattet. Das treibt im vollbesetzten Saal sogar eine vornehme Hamburger Oma zu Sarkasmen: "Im Gefängnis bleibt der Wärter draußen!"

Gegen die Benachteiligung hatten Großeltern bereits im Mai 2001 Front gemacht. Mit einer Petition an den deutschen Bundestag wurde die Regelung des deutschen Paragraphen 1685 beanstandet und auf den Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention verwiesen, der jeder Person das Recht auf Achtung ihres Familienlebens garantiert. Nach Ansicht der Großeltern wird dieses Menschenrecht von der besonderen deutschen Auslegung des Begriffs des Kindeswohls ausgehebelt. Sie empfinden es als diskriminierend, beweisen zu müssen, daß der Umgang mit ihnen dem Kindeswohl diene. Drei Tage vor Weihnachten wurde den betagten Petenten mitgeteilt, daß der Bundestag "keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf" sehe und das Petitionsverfahren abgeschlossen habe.

Die Großeltern gründeten daher am Samstag nach langem Erfahrungsaustausch und kurzer Diskussion "BIG", die "Bundes-Initiative der Großeltern von Trennungs- und Scheidungskindern". Man will das öffentliche Interesse wecken und "die Politiker auf Trab zu bringen". Ermutigt fühlen sich die "BIG"-Großeltern durch die Erfolge zweier badischer Initiativen. Nach einem Zeitungsbericht über die Leiden einer Großmutter meldeten sich Dutzende Betroffener bei der örtlichen Selbsthilfegruppe. Auch die Versuche, führende Politiker durch private Anschreiben auf den eigenen, schlimmen Fall aufmerksam zu machen, blieben nicht unbeantwortet. Ein Großelternpaar aus Pforzheim hatte einen ganzen Ordner voller Politiker-Antworten dabei. Die meisten drückten die Freude darüber aus, daß es Bürger gibt, die sich trauen, ihnen zu schreiben und bedauerten, nichts tun zu können. Der Bundespräsident immerhin hielt "Ihre Initiative" für "eine gute Sache", die es verdiene, "von den Verantwortlichen in Parlament und Regierung wahr- und ernstgenommen zu werden". Die Bundestagsfraktion der FDP teilte mit, das Kindschaftsrecht müsse "grundlegend modernisiert werden", man berate bereits "mögliche Schritte, um die Position der Väter zu verbessern". Der SPD-Vorstand sprach durch Großmutter Renate Schmidt die Erwartung aus, daß "die egoistischen Verhaltensweisen der Mutter sich rächen werden". Auch sei die "Verweigerung des Besuchsrechts kein Kavaliersdelikt", doch gäbe es immer noch "Familienrichter, die noch nicht zur Kenntnis genommen hätten, daß sich das Sorgerecht geändert hat". Letzteres scheint auch bei der Bundestagsfraktion der CDU der Fall zu sein, deren Antwort den kämpferischen Großeltern am Ende noch etwas zu Lachen gab: Nach dem jungen Vater Friedrich Merz steht ihnen "ein eigenes Umgangsrecht mit dem Enkelkind gesetzlich nicht zu".

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