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Südwestpresse
Donnerstag, 21. April 2005

JUSTIZ / Bundesverfassungsrichter stärken Vaterrechte

Rüge für Obergericht

Menschenrechtsabkommen verlangt Umgangsrecht

Deutsche Gerichte müssen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum Sorgerecht eines Vaters festgestellt. Sein Sohn lebt seit Jahren in einer Pflegefamilie.

KARLSRUHE Das Bundesverfassungsgericht hat erneut in den Sorgerechtsstreit eines türkischen Vaters eingegriffen, der seinen 1999 nicht ehelich geborenen Sohn mit Zustimmung der Mutter zur Adoption freigegeben hatte. Nun muss das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg noch einmal entscheiden, ob der Vater das Sorgerecht für den heute knapp Sechsjährigen erhält. Die Richter in Karlsruhe beanstandeten, das OLG habe in seinem Urteil die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Straßburg) nicht hinreichend berücksichtigt.

Der Fall beschäftigt die Gerichte nunmehr seit Jahren. Seit der Adoption lebte das Kind des Klägers bei Pflegeeltern in Sachsen-Anhalt. Der leibliche Vater hatte sich von Geburt des Kindes an bemüht, das Sorgerecht für den Jungen zu erhalten. Im Jahr 2000 wurde seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt.

Nachdem der Vater im Streit um das Sorgerecht in Deutschland mehrere Prozesse verloren hatte, bemühte er den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) - mit Erfolg. Die Ablehnung des Sorgerechts und der Ausschluss des Umgangsrechts stelle eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention dar, urteilte der EGMR im Februar 2004. Dennoch wies der 14. Zivilsenat des OLG den Sorgerechtsantrag des Vaters fünf Monate später erneut zurück. Die Begründung des OLG: die Straßburger Entscheidung habe für das deutsche Gericht keine Bindungswirkung.

In ihrem Urteil stellen die Verfassungsrichter noch einmal klar: Nationale Gerichte haben die Rechtsprechung des EGMR grundsätzlich zu berücksichtigen. Das führe nicht zu Ergebnissen, die mit der deutschen Verfassung unvereinbar seien. In ihrem Urteil hätten die Naumburger Richter die Grundrechtspositionen der Eltern, des Kindes und der Pflegefamilie gegeneinander abwägen müssen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei in dieser Abwägung das Kindeswohl "letztlich bestimmend".

Diesen Anforderungen werde die Entscheidung des OLG Naumburg nicht gerecht. Zudem bemängelten die Verfassungsrichter ein vom Landesjugendamt in Auftrag gegebenes Gutachten. Sie qualifizierten es als "Parteigutachten", der Kläger selbst sei darin nicht einbezogen worden. Außerdem habe sich der Senat des OLG - soweit ersichtlich - "zu keiner Zeit einen persönlichen Eindruck von den Beteiligten verschafft". (Az.: 1 BvR 1664/04)
AP

Der Gerichtshof für Menschenrechte

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg wurde 1959 von den Mitgliedern des Europarates eingerichtet. Er wacht über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention aus dem Jahre 1950. Seit 1998 arbeitet er als Vollzeit-Gerichtshof. Seiner Rechtsprechung sind alle Staaten unterworfen, die die Konvention unterzeichnet haben, auch wenn sie nicht der EU angehören. Der EGMR in Straßburg ist nicht mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu verwechseln. Dieser entscheidet über die Auslegung der EU-Verträge sowie Streitigkeiten innerhalb der EU über Fragen des Gemeinschaftsrechts.
cf

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