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Südwestpresse
Freitag, 14. Januar 2005

Kuckuckskinders Wohl

JÖRG BISCHOFF
Noch ist das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) über die Rechtswidrigkeit heimlicher Vaterschaftstests nicht in den Einzelheiten veröffentlicht; aber bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich als Entscheidung, die mehr über das Verfahren aussagt als über den Grundsatz: Sollte ein Vater bei einem privaten Gen-Labor herausbekommen haben, dass er nur Zahlvater eines Kindes ist, so kann er allein mit einem solchen Gutachten seine Vaterschaft nicht anzweifeln. Vielmehr muss er andere Anhaltspunkte für diese Zweifel liefern. Welche, sagt das Gericht nicht.

Allerdings hat der XII. Familiensenat unwillkürlich auch in die hitzige Debatte eingegriffen, welche die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) mit ihrem Vorschlag ausgelöst hat, heimliche Vaterschaftstests unter Strafe zu stellen. Der BGH nennt diese Tests rechtswidrig, weil sie in das Recht auf informelle Selbstbestimmung auch eines "Kuckuckskindes" eingreifen.

Dazu muss man aber wissen, über welche Fälle das Gericht zu entscheiden hatte. Die Väter waren mit den Müttern nicht verheiratet und besaßen auch nicht das Sorgerecht. Sie zahlten, weil sie zuvor die Vaterschaft anerkannt hatten, nur Unterhalt - ohne Grund, wie die privaten Gutachten ergaben. Trotzdem ist der Eingriff in die Rechte der Kinder ohne Zustimmung der allein sorgeberechtigten Mütter nachvollziehbar. Wie sich die Frage in der Ehe stellt oder bei Zustimmung der Mutter, ließ das Gericht offen.

Zwar hat der BGH damit nur bestätigt, was seit jeher Rechtsprechung ist. Nur das Landgericht München hatte 2003 anders entschieden, als es um das Recht eines Gen-Labors ging, solche "Papa-Checks" anzubieten. Wettbewerbswidrig sei das nicht, urteilten die Münchner Richter und erklärten, der heimliche Test sei für den Familienfrieden allemal besser als das umständliche gerichtliche Abstammungsverfahren. Denn dort genügen nicht Speichelspuren von einem ausgelutschten Kaugummi. Vielmehr müssen Blutproben von allen Dreien abgenommen werden, ein Rechtsanwalt ist erforderlich und die Kosten sind mindestens fünf Mal so hoch. Überdies hat der Vater nur zwei Jahre Zeit, seine Zweifel vor Gericht anzumelden.

Bei alledem vergessen die Richter, worum es eigentlich gehen müsste. Zwar fürchtet Brigitte Zypries wohl auch die auf bis zu 500 Millionen geschätzten Unterhaltsvorschüsse, die der Staat für zahlungsunwillige Väter aufbringen müsste, würde er die Tests als Begründung für einen Anfangsverdacht zulassen. In Wahrheit muss aber wie bei allen Familienstreitigkeiten das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Es hat ein Recht darauf, seinen Vater zu kennen. Viele "Kuckuckskinder" berichten, wie stark die Ungewissheit, die Zweifel, Vorwürfe und Anfeindungen sie belastet haben. Wer die Suche nach der Wahrheit von der Zustimmung der Mutter abhängig macht, versetzt sie in eine Rolle, die ihr nicht zukommt, nicht so sehr dem Vater gegenüber als ihrem Kind zuliebe.

Von Strafen für die heimlichen Tests darf sowieso nicht die Rede sein. Dies würde eine Flucht ins Ausland auslösen, wo man nicht daran denkt, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegen die Suche nach der Wahrheit auszuspielen. Es gibt andere Wege, um den Konflikt zu lösen. So muss das umständliche gerichtliche Verfahren auf jeden Fall entrümpelt werden. Es passt nicht mehr in eine Zeit, in der auch immer mehr Frauen die sexuelle Liberalität entdecken.

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