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Südwestpresse
Mittwoch, 08. Februar 2005

SOZIALES / Spektrum der Vernachlässigungen bei Kindern in groß

"Frühzeitig Hilfe anbieten"

Jugendamt, Vereine oder Polizei bieten Unterstützung / Probleme reichen von Partnerschaftsproblemen bis Armut

Wie kann man Kindern, Familien in Not am besten helfen? Bei einer Podiumsdiskussion wurde eine Studie vorgestellt (wir berichteten), die belegt, dass in der Doppelstadt mehr als 300 Kinder vernachlässigt werden - aus unterschiedlichen Gründen.

VILLINGEN-SCHWENNINGEN Wie der Leiter des städtischen Jugendamtes, Wolfram Mack, erklärte, ist das Spektrum der Vernachlässigungen bei Kindern groß. "Dementsprechend gibt es auch verschiedene Hilfsangebote", so Mack auf Anfrage. Wichtiges Bindeglied seien Erzieherinnen, "die sind ganz nah dran".

Wenn sie feststellen, dass ein Kind hungrig ist, nachlässig gekleidet in den Kindergarten kommt, ungepflegt wirkt oder Verhaltensauffälligkeiten zeigt, suchen die Erzieherinnen das Gespräch mit den Eltern. Wenn diese Maßnahme nicht hilft, schalten sie den Sozialen Dienst des Jugendamtes ein.

"Wir haben eine enge Verzahnung mit den Kindertageseinrichtungen", berichtet Herbert Paul, der den Sozialen Dienst leitet. Ganz wichtig ist Paul eine sensibilisierte Öffentlichkeit: "Wir müssen hinschauen und dürfen nicht wegschauen."

Ein richtiges Hilfsangebot für eine Familie oder einen alleinerziehenden Elternteil zu finden, erfordere viel Fingerspitzengefühl. "Wichtig ist es, dass wir zu einem frühen Zeitpunkt Hilfe anbieten", so Paul. Oft stecken verschiedene Gründe hinter der Vernachlässigung von Kindern: "Manche Eltern sind mit der aktuellen Lebenssituation überfordert, es gibt Partnerschaftsprobleme, Geldmangel, Suchtprobleme", schildert der Fachmann die Bandbreite.

Das Jugendamt bietet dann Erziehungshilfen an, bringt Kinder mittags beispielsweise in pädagogischen Einrichtungen unter, wo sie von Fachleuten betreut werden. "Ganz wichtig ist es, dass wir nicht nur die Kinder im Blickfeld haben, sondern auch mit den Eltern arbeiten", betont Wolfram Mack.

Ursula Jansen vom Verein "Bürger helfen Bürger" ist der Meinung, dass kleine Hilfestellungen große Wirkung hätten. Oft bitten alleinerziehende Mütter um Hilfe, die ihr Leben nicht mehr in den Griff bekommen. "Hier würde eine Familienhelferin, die den Frauen zeigt, wie sie günstig und gut kochen können oder ihnen einfach hilft, den Alltag zu strukturieren, viel bewirken", meint Jansen, die den Verein Anfang der 80er-Jahre mitgegründet hat.

"Kein Cent mehr für ein Schulbrot"

Seit der Einführung von Hartz IV seien viele Familien finanziell massiv unter Druck: "Bei mir rufen Frauen an, die haben am Ende vom Monat einfach keinen Cent mehr, die können ihren Kindern nicht mal mehr ein Schulbrot richten", schildert die engagierte Frau. In Absprache mit der Tafel versucht sie in solchen Fällen schnell und unbürokratisch zu helfen. "Viele Betroffene haben einfach Angst, sich ans Jugendamt zu wenden", legt Ursula Jansen ihre Beobachtungen dar.

Herbert Paul kennt diese Ängste und weiß, dass ein Jugendamt selbstbewusst damit umgehen muss: "Das liegt daran, dass wir eine Eingriffsbehörde sind, wir haben ein Wächteramt, und das ist gut so." Das heißt: In besonders krassen Fällen können die Elternrechte beschnitten und die Kinder aus einer Familie herausgenommen werden. "Aber das ist der letzte Schritt, wenn es wirklich darum geht, das Kind zu schützen", betont Wolfram Mack.

Auch schnelle finanzielle Hilfe kann das Jugendamt in Absprache mit dem Sozialamt bieten, wenn Kinder Mangel leiden. "Wir können hier nicht einfach Geld verteilen, aber in Notsituationen versuchen wir schnell zu helfen", so Herbert Paul. Man könne aber nicht sagen, dass nur Eltern oder Alleinerziehende ihre Kinder vernachlässigen, die materielle Not leiden.

"Wir haben viele Fälle, wo Familien mit wenig Geld auskommen müssen, sich aber liebevoll um ihre Kinder kümmern." Auf der anderen Seite gebe es wohlhabende Familien, wo Kinder emotional verkümmern, weil sie statt Zuneigung nur Geld bekommen.

Tiefe Einblicke in zum Teil erschütternde familiäre Situationen hat die Polizei, die bei Streitigkeiten auf den Plan gerufen wird. "Die Beamten gehen ja dann in Wohnungen und sehen dort oft schlimme Dinge", berichtet Polizeichef Roland Wössner. Sie seien darin geschult, mit solchen Situationen umgehen zu können. "Wir informieren das Jugendamt, und in extremen Fällen sorgen wir dafür, dass eine sofortige Heimunterbringung angeordnet wird."

Auch Roland Wössner berichtet, dass es oft zerbrochene Familien sind, in der Not alleinerziehend und mit dem Leben überfordert. "Wir können beispielsweise Beratungsstellen vermitteln, aber wenn die Frau oder die Eltern nicht wollen, können wir aus Datenschutzgründen keine Adressen weitergeben", zeigt Wössner die Grenzen der Hilfe auf.

Zunehmend registrieren die Beamten in den späten Abendstunden Kinder auf der Straße, "die eigentlich längst ins Bett gehören." Die Beamten fahren diese Kinder nach Hause, suchen das Gespräch mit den Eltern und informieren auch hier das Jugendamt, wenn sie das Gefühl haben, dass professionelle Hilfe vonnöten ist.
(cho)

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