Presseschau
Auf dieser Seite finden Sie "vereinsfremde" Presseartikel.
Artikel rund um unseren Verein finden Sie hier.


Südwestpresse
Freitag, 03. Februar 2005

SOZIALES / Fachtag mit 120 Teilnehmern

Wenn Familie nicht funktioniert

Studie belegt Vernachlässigung von Kindern

Mit einem Podiumsgespräch ging der erste Fachtag zum Thema "Kindesvernachlässigung" mit rund 120 Teilnehmern aus der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg zu Ende. Vernachlässigung prägt den Alltag von Kindern auch in der Stadt Villingen-Schwenningen, wurde dabei deutlich.

VILLINGEN-SCHWENNINGEN Fachleute aus Kindergärten, Polizei, Suchtberatung und Heimerziehung erörterten in Arbeitsgruppen die Lage und zeigten zukünftige Perspektiven auf. Deutlich wurde auch, dass Erzieherinnen eine Art Schlüsselrolle zufällt, um solche Vernachlässigungen zu erkennen.

Iris Müller von der Abteilung Kindertagesstätten der Stadt Villingen-Schwenningen konkretisierte dabei in genau belegten Zahlen, was Kindesvernachlässigung für eine Stadt bedeutet. In einer Studie, die im Zeitraum Oktober 2005 bis Januar des laufenden Jahres in den 15 städtischen Betreuungseinrichtungen mit rund 1200 Kindern akribisch alle offensichtlichen "Härtefälle" auflistet, konnte Müller sichtlich Betroffenheit bei den anwesenden Fachleuten auslösen.

Auch Professor Brigitte Reinbold, die als Vertreterin der Berufsakademie das Gespräch moderierte, zeigte sich beeindruckt. "Eine empirische Auswertung zeigt, dass es tatsächlich ein hohes Maß an Vernachlässigung gibt", so Reinbold.

Roland Wössner von der Polizeidirektion berichtete aus den Erfahrungsberichten von Einsätzen. Hier seien aber eher Kindesmisshandlungen angezeigt worden. Ein ernstzunehmendes "Phänomen" seien allerdings streunende Kinder in jedem Alter, die vermehrt zu beobachten seien. Der Leiter der Fachstelle Sucht, Roland Kurz, verwies auf den Schwerpunkt "Familie und Sucht" in diesem Jahr.

Die Fachstelle, so Kurz, habe jährlich allein rund 1000 Menschen mit Alkoholproblemen in Behandlung: Hier könne man von 250 bis 300 Kindern ausgehen, die unter der Situation leiden. "Diese Erkenntnisse landen dann bei uns", so der Leiter des Kreisjugendamtes, Manfred Nietsch. Er sieht als wichtigen präventiven Schritt die stärkere Kooperation mit den Kindertagesstätten. Dass die Erziehungsberatungsstelle schon seit längerem direkt in Tagesstätten Beratungsgespräche führt, sei ein erfolgreiches Konzept, das weitergeführt werden müsse.

"Ein Kind aus der Familie zu holen, ist der letzte Schritt, wir müssen den Eltern möglichst niederschwellig helfen", so Nietsch. "Eine intensivere Vernetzung zwischen Kitas und Jugendämtern würde unsere Arbeit unterstützen", artikulierte Müller den Wunsch vieler Erzieherinnen. Klar ist, dass alle Maßnahmen von finanziellen Rahmenbedingungen abhängig sind.
(us)

Zahlen aus der Studie

Die Auswertung einer viermonatigen Studie an 15 Kindertagesstätten in Villingen-Schwenningen mit rund 1200 Kindern ergibt folgendes Bild: drei Kinder wöchentlich im Schnitt, die zu den Schließzeiten überhaupt nicht abgeholt werden, 29 Kinder, die daheim nie warmes Essen erhalten oder nur Fast Food; 58 Kinder, die ständig Hunger erleben; 71 Kinder, die permanent so ungepflegt und falsch und unpassend gekleidet in die Einrichtung kommen, dass sie Hautprobleme haben, frieren oder krank werden; 169 Kinder, die in ihren Familien emotionale und physische Gewalt erleben und als "emotional ausgehungert" bezeichnet werden können, da sie keine liebevolle Zuwendung von Seiten ihrer Eltern erhalten.

Die Erzieherinnen schätzen die Zahl der Kinder, die von ihren Eltern zu wenig Beachtung bekommen, sich überwiegend mit Fernseher und Computerspielen beschäftigen und sich selbst überlassen sind, auf mindestens 30 Prozent.
(us)

In unserem Forum können Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel äußern.
Verweisen Sie dabei bitte auf http://www.vafk-sbh.de/FremdePresse/Artikel205.html

Zum Seitenanfang