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Schwarzwälder Bote
Freitag, 14. Januar 2005

Die verängstigten Singles

Von Claudia Lepping
Deutschland, Heimat der traurigen Singles. So wollen es die Überschriften zur Untersuchung der Forsa-Meinungsforscher. 40 000 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 49 Jahren haben hier begründet, warum sie Kinder haben oder nicht. 44 Prozent der ledigen Kinderlosen bedauern, dass sie einfach nicht den richtigen Partner gefunden hätten, mit dem sie Kinder in die Welt zu setzen wagten. Deutschland, Heimat einer verängstigten Single-Generation?

Vorbei scheinen die Zeiten, in denen sich Paare wie selbstverständlich finden. Vermutlich ist die Zweckgemeinschaft die traditionellste Form von Partnerschaft - ein Bündnis, das zuvorderst gegen alle Widrigkeiten besteht und bestenfalls beseelt wird von gleichberechtigter Entfaltung und den Bequemlichkeiten, die die Wohlstandsrepublik lange Zeit wie selbstverständlich mit sich brachte. Das Recht auf Fortführung gefälliger Gewohnheiten war attraktiver als jenes auf Scheidung. Doch seit den 80er Jahren steigt die Zahl der Trennungen deutlich: Inzwischen werden jährlich 383 000 Ehen geschlossen, 204 000 aufgekündigt. Jede zweite Scheidung reißt Minderjährige aus ihrem Vater-Mutter-Kind-Umfeld.

Kein Wunder also, dass eben diese Kinder heute lange warten, ehe sie den Gang zum Standesamt riskieren. Sie wissen, was Scheitern bedeutet, weil sie die Folgen als Kinder erlebt haben. Bloß keine eigene Scheidung, bloß nicht jeden Kampf mit dem Ehepartner neu kämpfen müssen, an dem die eigenen Eltern gescheitert sind. Darum treibt sie durchaus ein größeres Maß Angst als die Nicht-Scheidungskinder. Für alle gleich aber ist das Sicherheitsbedürfnis - das keineswegs etwa allein durch größere finanzielle Absicherung zu stillen ist. Die meisten Singles finden sich vielmehr unter Akademikern und Selbstständigen, die beruflich und sozial längst Fuß gefasst haben.

Das Sicherheitsbedürfnis liegt darin, das bestehende kleine Glück nicht zu gefährden, indem sich zufriedene Single-Männer wie -Frauen leichtfertig einem Partner für immer versprächen, der den Grad der eigenen Lebensleistung oder der Lebensfreude auf Dauer trüben könnte. Dafür ist zu viel erreicht, dafür steht zu viel auf dem Spiel. Immer wieder und vor allem für Frauen, weil zumeist sie es sind, die für Kinder ihren Beruf zumindest zeitweise aufgeben und oft nur unter Einschränkungen wieder aufnehmen können.

So alarmierend wie die bedauerliche Erkenntnis, dass Kinder heute nicht mehr grundsätzlich das Glück der Menschen sind, ist eine andere Zahl: Weitere 44 Prozent der Kinderlosen wollen gar nichts an ihrem Leben und Sein ändern, "weil sie sich selbst genügen und auch ohne Nachwuchs mit ihrem Leben zufrieden sind". Dies zeigt nämlich, wie wenig Singles heute noch engen Kontakt zu Kindern haben. Auch schrecken die unzähligen Klagen ab, wie belastend Kinder fürs Portemonnaie sind und wie schwer ihre Betreuung für überforderte berufstätige Eltern zu organisieren ist. Kinder kosten, und Kosten werden vermieden - einer solchen rufschädigenden Polemik darf niemand anheim fallen.

Deutschland, Heimat der verwöhnten, sozial nicht belastbaren, traurigen Singles? Die Geld allein zwar nicht glücklich macht, die es sich aber gönnen, ihre Einsamkeit lieber im Taxi zu beweinen als im Bus? Diese Generation hat eine äußerst realistische Angst vor Einsamkeit im Alter, vor aussterbenden sozialen und familiären Bindungen. Was ihr bleibt, sofern es die eigene Kindheit erlaubt, ist die Erinnerung an ihr Ideal.

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