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Südwestpresse
Samstag, 20. November 2004

JUNGE FAMILIE / Wenn die Beziehung unter dem Baby leidet

Ehekrise statt "Hurra, wir sind zu dritt"


Therapeutin warnt Paare davor, einander zu vernachlässigen - Gemeinsame Erlebniss wichtig

Für Paare beginnt mit der Geburt des Babys ein neuer Lebensabschnitt. Viele versprechen sich davon ein glückliches Familienleben. Allzu oft werden die Erwartungen aber enttäuscht. Manche Ehe oder Beziehung zerbricht an der neuen Situation. Doch Paare können vorbeugen.

SVEN KAUFMANN
ULM Ein Familienidyll: Lukas war ein Wunschkind. Das glücklich glucksende Baby isst brav sein Breichen und schlummert nach einem befreienden Bäuerchen sanft ein. Mama und Papa stehen Hand in Hand an der Wiege und strahlen.

Die häufige Realität: Das "Butzilein" verschönert mit seinem Bananenbrei mal wieder die Küche und schlafen will es auch nicht. Stattdessen brüllt der Bub jeden Abend stundenlang in seinem Bett. Die entnervten Eltern haben sich nichts mehr zu sagen, und im Bett läuft schon lange nichts mehr.

Kinder bedeuten Veränderung. Bei allem anfänglichen Elternglück können sie eine erhebliche Belastung der Partnerschaft bedeuten. Oft werden die rosa gefärbten Erwartungen an das neue Leben als junge Familie enttäuscht. Das Paar entfremdet sich, im schlimmsten Falle kommt die Scheidung. Laut Statistisches Bundesamt wurden 2003 rund 382 000 Ehen geschlossen - und fast 214 000 geschieden. Tendenz steigend. Nach derzeitigem Stand gehen 38 Prozent im Laufe der Jahre baden.

Nele Kreuzer von der Erziehungsberatungsstelle der Stadt München bestätigt: Viele Ehen zerbrechen innerhalb der ersten drei Lebensjahre des Kindes. Am häufigsten steht der Gang zum Familiengericht im dritten Jahr an. Die Sozialpädagogin und Familientherapeutin weiß aus Erfahrung, dass Paare erst dann in die Beratung kommen, "wenn es richtig kracht".

Ursache nicht bewusst

Oft seien sie sich der eigentlichen Ursache gar nicht bewusst: Die meisten nehmen gar nicht wahr, dass sie ihre Beziehung schleifen lassen, weil das Kind zu sehr im Vordergrund steht. Das Problem gehe von beiden Seiten aus. "Wenn das Kind kommt, mutieren viele von der Ehefrau zur Mutter, sie gehen ganz in dieser Rolle auf." Idealerweise jedoch sei die Frau Mutter, bleibe aber zugleich auch Partnerin oder, wenn man so will, Geliebte.

Klingt einfach, ist aber im Kinderstress schwer erfüllbar. Viele Frauen ließen sich gehen in der Gewissheit, den Partner "ja fest zu haben"; alles würde mit der Mutterrolle legitimiert. Sie nähmen zu, schminkten sich nicht mehr und achteten nicht mehr auf ihre Kleidung. Kurz: Die Attraktivität sinkt. Auch der Sex bleibe auf der Strecke, weil sie "immer müde" ist. "Für Männer", so Kreuzer, "ist das eine schwierige Situation". Anfangs würden sie dies noch akzeptieren, aber irgendwann zögen sie sich zurück, stürzen sich beispielsweise in ihre Arbeit und holten sich dort Bestätigung.

Übrigens gelte das Problem des Sich-Gehen-Lassens ganz klar für beide Seiten. Keine Frau ist angetan vom wachsenden Bierbauch in der Jogginghose des einstmals knackigen Liebsten.

Ein weiteres Problem: Die Kommunikation: Wenn miteinander gesprochen wird, dann nur noch darüber, ob das "Butzilein" auch gut gegessen und geschlafen hat. "Kinder haben eine unglaubliche Sogwirkung. Alles dreht sich nur noch um das Kleine, Gespräche über Politik oder Kultur bleiben aus." Statt sich einmal zu sagen, "Hey, wir müssen beizeiten etwas für unsere Beziehung tun", schreite die Entfremdung voran. "Ein schleichender Prozess", erklärt Kreuzer.

So manche Paare würden zwar darüber nachdenken, einmal zusammen ins Kino zu gehen. Doch dann scheuten sie erstaunlich häufig den finanziellen Aufwand für den Babysitter. Und so wird dann eben doch ein Leih-Video zu Hause angesehen. Der Effekt: Das "Wegsein" bleibt aus, das Kind bleibt präsent. Echte Zweisamkeit kann so nicht entstehen.

Deshalb empfiehlt die Expertin, mit dem Problem von vornherein bewusster umzugehen, sich der Fallen der Nachlässigkeit gegenwärtig zu sein und sich klar zu machen, wie schnell man in den Sumpf eines drögen Elternseins geraten kann. Nele Kreuzer gibt Tipps zum "Eltern werden und doch ein Paar bleiben": Viele kommen zu spät

Und wenn das Kind im Brunnen ist? Hier hat Nele Kreuzer kaum gute Erfahrungen gemacht. "Viele kommen zu spät zur Beratung, sie sind dann bereits entfremdet. Da nützt die schönste Ehetherapie nichts." Oft sei schon ein anderer Partner da und die Liebe erkaltet.

Und wer reicht in der Regel die Scheidung ein? Häufiger die Frauen. Doch die Therapeutin betont, dass "meist derjenige geht, der das Gefühl hat, dass der andere innerlich schon gegangen ist".

Deshalb ist es wichtig, sich nicht zurückzuziehen, sondern gemeinsam etwas zu Erleben und mal wegzukommen. Danach freut man sich auch wieder so richtig aufs "Butzilein", selbst wenn es die Küche mit Brei verziert.

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