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FAZ
20. Oktober 2004

Völkerrechtsfreundlichkeit hat Grenzen


19. Oktober 2004 Die Europäische Menschenrechtskonvention und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen von allen staatlichen Organen in Deutschland gebührend berücksichtigt werden. Doch kann ebenso wie eine fehlende Auseinandersetzung mit Straßburger Urteilen auch deren "schematische Vollstreckung" gegen das Grundgesetz verstoßen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag entschieden.

Der Zweite Senat entwickelt damit die bisherige Karlsruher Rechtsprechung fort, nach der die Europäische Menschenrechtskonvention in Deutschland im Rang eines einfachen Bundesgesetzes steht. Die Konvention ist demnach bei der Interpretation des nationalen Rechts zu beachten. Im Verfassungsrecht dient die Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe zur Bestimmung des Inhalts von Grundrechten - soweit dadurch nicht der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird.

Die Grenzen der Menschenrechtskonvention

Reichweite und Grenzen der Konvention und der Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofs leiten die Karlsruher Richter aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Verfassung her. Diese Offenheit entfalte ihre Wirkung nur "im Rahmen des demokratischen und rechtstaatlichen Systems" des Grundgesetzes. Dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit widerspreche es nicht, "wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet".

Zum einen muß nach Ansicht der Karlsruher Richter das Bundesverfasssungsgericht die fehlerhafte Anwendung völkerrechtlicher Verpflichtungen verhindern und beseitigen. Zum anderen muß die Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs "schonend" in die nationale Rechtsordnung eingepaßt werden. Das gelte insbesondere bei einem ausbalancierten Teilsystem des nationalen Rechts wie dem Persönlichkeitsrecht (hier hatten die Straßburger Richter im Caroline-Fall kürzlich die deutsche Rechtsprechung gerügt) oder dem Familienrecht.

Im vorliegenden Fall hob das Verfassungsgericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg auf. Ein türkischer Vater hatte ein Umgangsrecht mit seinem fünfjährigen nichtehelichen Sohn gefordert, der seit seiner Geburt auf Wunsch der Mutter bei Adoptiveltern lebt. Der Straßburger Gerichtshof hatte im Februar die Ablehnung des Besuchsrechts durch das Oberlandesgericht beanstandet. Während das Amtsgericht Wittenberg der Straßburger Entscheidung unverzüglich folgte, nannte das Oberlandesgericht sie einen "für die Gerichte unverbindlichen Ausspruch". Diesen Beschluß hob das Verfassungsgericht nun auf. Es verwies die Sache zurück und gab dem Oberlandesgericht auf, sich gebührend mit der Straßburger Rechtsprechung auseinanderzusetzen und abermals zu prüfen, was heute am ehesten dem Wohl des Kindes entspreche (Aktenzeichen 2 BvR 1481/04).

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