Presseschau
Auf dieser Seite finden Sie "vereinsfremde" Presseartikel.
Artikel rund um unseren Verein finden Sie hier.


FOCUS
Montag, 22. September 2003

DEUTSCHLAND
ROMANTISCHER START

Wer eine Ehe schließt, verdrängt allzu leicht die Möglichkeit des Scheiterns

RECHT

Raus aus der Scheidungsfalle

Das Ende einer Ehe bedeutet nicht die Stunde null - finanzielle Forderungen der Ex Partnerin (oder des Ex-Partners) erschweren aber den Start in ein neues Leben und eine neue Beziehung. Politik und Justiz wollen nun das Unterhaltsrecht umbauen


PROFANES FINALE
Trennungen kosten nicht nur die Seele Kraft - sie fordern auch finanzielle Opfer


Der Liebhaber verlässt morgens um 7.30 Uhr das Haus. Meist trägt er Anzug, gestreifte Krawatte und Budapester Schuhe. Er öffnet den Kofferraum des blauen BMW, legt die Aktentasche hinein, zieht sein Jackett aus, steigt ins Auto und fährt los. Abends gegen 20 Uhr kehrt er zurück, ohne Schlips, mit offenem Hemdkragen.

Die Gewohnheiten des fremden Mannes kennt der Arzt Martin K. fast wie seine eigenen. Vor oder nach dem Dienst im Krankenhaus lauert der 46-jährige Chirurg aus einer norddeutschen Kleinstadt häufig hinter einem Fliederbusch, um per Foto zu dokumentieren, dass "dieser Kerl der Neue meiner Frau ist".

"Ich fühle mich wirklich lächerlich bei diesen Aktionen", gibt K. zu, der sich von seiner Frau scheiden lassen will und um die Höhe des Unterhalts streitet. Nun müsse er beweisen, "dass meine Ex in einer neuen Beziehung lebt und deshalb von mir nicht finanziert werden muss".

Die komplizierte Frage, wie das einst gemeinsame Familieneinkommen verteilt wird, hat das Gericht bei Frank Z. bereits beschlossen. Seiner Geschiedenen und den beiden Kindern, vier und sechs Jahre alt, überweist er monatlich 1850 Euro. "Natürlich muss und will ich für meine Kinder aufkommen. Aber warum spendiere ich meiner Verflossenen ein gemütliches Leben?", regt sich der Ingenieur auf. Für seine neue Familie bleibe "viel zu wenig Geld übrig". Trotz des Babys arbeite seine jetzige Frau halbtags, "sonst könnten wir uns absolut nichts leisten".

Zwei Scheidungsfälle von jährlich fast 200000 in Deutschland: Jeder einzelne produziert Tränen, Enttäuschung und Psychostress - sowie Ebbe auf dem Konto. "Das Ende einer Partnerschaft ist mit hohen wirtschaftlichen Risiken verbunden", schreibt der Bielefelder Soziologe Hans-Jürgen Andreß in einer bislang unveröffentlichten Studie, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert hat. Bereits kurz nach der Trennung schlitterten viele Paare in finanzielle Probleme. Wird die Ehe dann amtlich geschieden, stabilisiere sich zwar die Lage bei vielen, aber nur wenige erreichten wieder ihren ursprünglichen Lebensstandard, so die Studie.

"Scheiden ist teuer - selbst dann, wenn sich die Eheleute gütlich einigen", weiß Rudolf Haibach, Fachanwalt für Familienrecht in Gießen. Die Kosten summierten sich schnell zu exorbitanten Beträgen: Gebühren für Gericht und Anwälte, Auflösen des gemeinsamen Lebens, Gründen von zwei getrennten Haushalten und natürlich die höheren Abgaben, die aus den neuen Steuerklassen für Nichtverheiratete resultierten.

Noch mehr als das Standardprogramm kosten "Rosenkriege". Etwa 15 Prozent der Paare führen nervenaufreibende und jahrelange Kämpfe ums Geld und das Umgangsrecht für die Kinder - in dieser Reihenfolge.

Meist beginne die Fehde im Trennungsjahr, berichtet Anwalt Haibach. Wer dem inzwischen ungeliebten Partner schaden will, schummele beim Auflisten der Ersparnisse oder verschweige zusätzliche Einkommen und Aktiendepots. Andere ließen sich vom Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Selbstständige, die vorm Richter gern ärmer erscheinen möchten, als sie wirklich sind, manipulierten schon mal ihre Bilanzen.

Sieger sind im Scheidungskampf (außer Anwälten) nicht vorgesehen. "Am Ende fühlen sich häufig beide als Verlierer", hat der pensionierte Jurist Harald Scholz während seiner langen Karriere als Familienrichter beobachtet. Der eine - meist der Mann - klage, weil er "zu viel" Unterhalt bezahlen müsse und ihm "kaum etwas zum Leben übrig bliebe". Die Frau dagegen glaube, sie sei "über den Tisch gezogen" worden, eigentlich stehe ihr doch "viel mehr Geld" zu.

Das Gefühl, zwischen Recht und Gerechtigkeit klaffe eine erhebliche Diskrepanz, können Experten nur schwer mit juristischen Argumenten widerlegen: Wer es auf Trickserei, Irreführung, Täuschung, Abzocke oder gar Betrug anlegt, findet reichlich Auswege, um Gesetze zu umschiffen oder Gerichte zu täuschen.

Raus aus der Scheidungsfalle - wie Schwächen und Ungerechtigkeiten im Scheidungsrecht künftig behoben werden können, haben Juristen vergangene Woche auf dem Deutschen Familiengerichtstag (DFGT) in Brühl beraten. Ihr Urteil: Die Gesetze, vor allem fürs Unterhaltsrecht, sind zu kompliziert und zu wenig transparent. "Ich halte unser Scheidungsrecht zwar grundsätzlich für gerecht und angemessen", schlussfolgert der Vorsitzende Gerd Brudermüller, "aber an einigen Stellen sehe ich Reformbedarf" (siehe Interview).

So sollten unter anderem die Rangfolge im Unterhaltsrecht geändert und ein Existenzminimum für beide Seiten gesetzlich festgeschrieben werden. An die obersten Gerichte appellierte der DFGT, Rechtssicherheit für Eheverträge zu schaffen und klar zu definieren, welche Vereinbarungen wirksam seien und welche sittenwidrig.

Als seine wichtigste Forderung formulierte der DFGT, die Rangfolge bei Unterhaltszahlungen zu überdenken (FOCUS 38/03). Bisher genießen minderjährige Kinder und die Ex-Frau oberste Priorität. Danach folgt die aktuelle Frau - auch wenn diese kleine Kinder betreut. "Diese Verteilung der Ressourcen des Mannes birgt die Gefahr, dass die erste Frau gegenüber der zweiten stark bevorzugt wird", kritisiert Familienrichter Brudermüller. Unter Umständen müsse die neue Frau arbeiten gehen, damit ihr Mann die Unterhaltsansprüche der Vorgängerin erfüllen könne.

Welche Konsequenzen die jetzige Rechtsprechung haben kann, zeigt auch das so genannte Hausmann-Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. XII ZR 308/98). Geklagt hatte ein Mann, der 400 Euro Unterhalt an seine minderjährigen Kinder und an seine Frau aus erster Ehe bezahlen muss. Diese Summe wollte er herabsetzen lassen, weil er in seiner neuen Lebensgemeinschaft den Haushalt führe und das kleine Kind betreue. Für die Ex-Frau sei dieser Rollentausch "nicht hinnehmbar", entschieden die BGH-Richter. Die Interessen der neuen Familie müssten sich denen der ersten unterordnen.

"Die jetzige Rangfolge-Regelung führt in manchen Fällen zu Ungerechtigkeiten", kritisiert der pensionierte Richter Harald Scholz, der auf der Brühler Tagung eine Arbeitsgruppe zum Thema Unterhaltsrecht leitete. Der Gesetzgeber müsse "angemessen auf neue gesellschaftliche Entwicklungen reagieren": Tatsache sei, dass geschiedene Männer heute häufig ein zweites oder auch drittes Mal heiraten und noch einmal Kinder in die Welt setzen wollen. "Diese Chance müssen sie sich leisten können", fordert Scholz.

Sollte die geplante Rangfolge per Gesetzesänderung festgeschrieben werden, gelte diese nur für Ehen, die nicht länger als zehn Jahre gedauert haben und in denen sich "keine ausgeprägte Solidargemeinschaft" entwickelt habe, kündigt Familienrichter Brudermüller an. Unterhaltsansprüche von Frauen, die lange verheiratet waren und Kinder erzogen haben, blieben unangetastet.

"Das Kernelement einer Ehe ist die solidarische Verantwortung", definiert Brudermüller. Diese Solidarität lasse sich nicht mit einer Scheidung aufkündigen. Sie bedeute aber auch nicht, dass der eine Partner den anderen ausnutzen dürfe.

"Ausgenutzt und betrogen" - so fühlt sich die 51-jährige Sylvia Wolgram. Die Auftragssachbearbeiterin gehört zu den nur sieben Prozent Frauen, die verpflichtet sind, ihren Ex-Mann finanziell zu unterhalten. "Ich zahle seit 1994. Jetzt behauptet er, erwerbsunfähig zu sein, und verklagt mich auf mehr als das Doppelte", schimpft Wolgram. Bis "zum Umfallen" müsse sie schuften, um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Sie habe Haus und Garten verkauft und könne sich keine Urlaubsreisen mehr leisten. Ihr Ex-Mann dagegen verweigere jede Arbeit und lebe seit vier Jahren mit seiner neuen Freundin in Oberbayern zusammen. "Das hat doch nichts mit Gerechtigkeit zu tun", findet Wolgram.

Solche Fälle seien "extrem schwierig", lägen aber immer häufiger zur Entscheidung auf den Richtertischen, weiß Jürgen Soyka vom Oberlandesgericht Düsseldorf. Der Unterhaltspflichtige müsse beweisen, dass sein Ex-Partner in einer eheähnlichen Beziehung lebe, die als "verfestigt" gilt - auch das wiederum eine Frage, die das Gericht für oder gegen den Kläger auslegen kann.

Wie solche Streitfälle ausgehen können, zeigen zwei Urteile: So hat der Bundesgerichtshof (BGH) einer Frau den Trennungsunterhalt gekürzt, weil diese mit ihrem Freund eine eheähnliche Gemeinschaft führte (Az. XII ZR 159/00). Den Einwand, dieser Mann sei homosexuell, wertete das Gericht als "unerheblich".

Auch in einem weiteren Fall verlor eine Frau ihren Unterhaltsanspruch. Die Beklagte pflege eine Beziehung, die in der Öffentlichkeit auf Grund der Freizeitgestaltung als "feste soziale Bindung" erscheine, urteilten die Richter und entlasteten den geschiedenen Mann. Ein gemeinsamer Haushalt mit dem neuen Partner sei keine Bedingung, so die Begründung.

"Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass Geschiedene für sich selbst sorgen", erläutert Rechtsanwalt Haibach. Ausnahmen - die häufig die Regel darstellen - seien unter anderem, wenn ein Partner gemeinsame Kinder betreue, wegen Krankheit nicht arbeiten könne, keinen angemessenen Job finde, Arbeit nicht zumutbar sei oder wenn sich der Bedürftige aus- oder weiterbilde, um später ein eigenes Einkommen zu erzielen.

"Diese Definition bietet reichlich Spielraum für Interpretationen", weiß Haibach. Entscheidend sei, "wie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt waren und welche Ziele der gemeinsame Lebensplan umfasst hat".

Auch wenn kaum ein Nichtjurist die komplizierten Tabellen und Berechnungen von Anwälten und Gerichten versteht - die Daten liefern die Betroffenen selbst. Viele Frauen wüssten nicht, über welche Einkommen ihr Mann verfüge, selten könnten sie Unterlagen über Konten, Depots oder Immobilienbesitz vorlegen, weiß Haibach.

Männer dagegen verweigerten die Auskunft, wenn sie das Gefühl befiele, "die bloße Gier der Ex befriedigen zu müssen". Als beste Strategie empfiehlt der Fachanwalt deshalb, den Streit nicht eskalieren zu lassen. Gute Anwälte versuchten zu vermitteln, anstatt ihre Mandanten in gerichtliche Auseinandersetzungen zu treiben.

Die Ehe sei keine Versorgungseinrichtung, appelliert Familienrichter Brudermüller. Unterhaltsansprüche dürften nicht "ins Uferlose" geraten. Das bisher geltende Prinzip der so genannten Lebensstandardgarantie - der ärmere Partner darf nach der Scheidung nicht schlechter leben als während der Ehe - "ist kein absoluter Wert, der mit dem Akt der Eheschließung erworben wird", beschreibt Brudermüller. Für den Richter bedeute jeder individuelle Fall, das "Spannungsfeld zwischen Bedürfnislage und Eigenverantwortung" zu erkennen.

Zu Spannungen zwischen den einst Verliebten führt im Scheidungsstress vor allem der Mangel an Geld. In seiner Untersuchung hat der Soziologe Andreß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partner zu drei verschiedenen Zeitpunkten verglichen: während der Ehe, im Trennungsjahr sowie nach der amtlichen Scheidung. Auch wenn betroffene Männer genau das Gegenteil empfinden: "Frauen sind eindeutig die Verlierer einer Scheidung."

Natürlich gebe es Ausnahmen, relativiert Andreß, zum Beispiel Frauen, die aus einer Trennung von ihrem reichen Ehemann als Millionärin hervorgehen. Auch müsse eine "nicht geringe Anzahl von Männern erhebliche Verluste" hinnehmen.

Nach der amtlichen Scheidung erholten sich Männer wirtschaftlich jedoch schneller als Frauen, ergab die Bielefelder Untersuchung. Während die Hälfte der Männer um bis zu elf Prozent an Finanzkraft gewinnt, müssen die Hälfte der Frauen einen Verlust von bis zu 23 Prozent verdauen.

Die Statistik entspricht allerdings nicht der subjektiven Wahrnehmung: Laut Studie beklagen 61 Prozent der Männer "unzureichende Einkünfte". Mehr als die Hälfte äußert den Wunsch nach einem "neuen Leben". Unabhängigkeit von der Ex-Partnerin erträumen sich 22 Prozent.

Als besonders belastend gestalten sich Trennungen, wenn Paare Schulden aufgehäuft haben - so wie in 55 Prozent der Ehen. Auf der Brühler Tagung hat der Duisburger Rechtsanwalt Jörn Hauß deshalb vorgeschlagen, Männer in den privaten Konkurs zu schicken, wenn sie wegen zu hoher Belastung aus Konsumentenkrediten keinen Unterhalt zahlen können.

Jetzt ermögliche das neue Insolvenzrecht eine Lösung: Der Verschuldete könne sich auf die Pfändungsfreigrenze (930 Euro) berufen und somit seinen Selbstbehalt (840 Euro bzw. 775 Euro in den neuen Bundesländern) sichern, rechnet Hauß vor. "Damit bewahrt man dessen geschiedene Frau und die Kinder vorm Sozialamt. Und der Staat könnte Sozialhilfekosten in Höhe einer dreistelligen Millionensumme einsparen."

Verlierer dieser Regelung, die die Oberlandesgerichte Dresden und Stuttgart bereits bestätigt haben, seien die Kreditgeber. "Diese müssen dann wohl zahlreiche Darlehen für Autos, Möbel oder Urlaubsreisen abschreiben", prognostiziert der Anwalt.

Eine weitere, "weniger erfreuliche Tendenz" in der Rechtsprechung hat die Arbeitsgruppe von Ludwig Bergschneider, Fachanwalt in München, diskutiert. Vor allem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit erstaunlichen Begründungen einen Ehevertrag für ungültig erklärt - das Urteil überraschte Juristen und verunsicherte Notare und Rechtsanwälte. Eine Schwangere dürfe nicht auf Unterhalt verzichten, entschieden die Richter. Der Ehevertrag, den die Frau vor der Trauung unterschrieben hatte, sei in "ungleicher Verhandlungsposition" entstanden und bürde einem Partner die Lasten einseitig auf.

Die Praktiker fordern klare Antworten auf die Frage, inwieweit die private Freiheit reicht, Vereinbarungen zu treffen. Dürfen zum Beispiel Frauen mit Kindern auf Unterhalt verzichten? Muss eine solche Vereinbarung vor dem Notar beurkundet werden oder reicht - so wie bisher - die Erklärung plus Unterschrift auf dem Küchenzettel?

Das oberste Gericht soll nun auch definieren, wann sich erwachsene Vertragspartner auf "gleicher Augenhöhe befinden", verlangen die Juristen. Dominiert ein Deutscher einen Ausländer, weil dieser eine andere Muttersprache spricht? Oder gilt vielleicht ein Akademiker als überlegen, wenn sein Vertragspartner nicht einmal die Hauptschule geschafft hat?

"Solange keine Rechtssicherheit herrscht, können Anwälte und Notare nicht mit gutem Gewissen beraten und Verträge formulieren", kritisiert Bergschneider. Seinen Mandanten empfehle er, geschlossene Verträge noch einmal zu überprüfen, sobald grundsätzliche Urteile vorliegen.

Von einer schnellen Beantwortung dieser Fragen könnte Ulrich L. profitieren. Der 47-jährige Unternehmer hatte vor drei Jahren mit seiner Frau einen Ehevertrag geschlossen. Darin vereinbarte das Paar, dass die Ehefrau keinen Anspruch auf seine Beteiligungen an Kapitalgesellschaften erheben werde. Nun, da sich die Eheleute scheiden lassen, will sie am Zugewinn beteiligt werden: Sie ficht den Vertrag an, denn dieser unterliege einem "Inhaltsirrtum", so die Argumentation.

"Ich bin enttäuscht", sagt der Unternehmer resigniert. "Wir waren uns einig, damals", erinnert er sich. Sollte er jetzt den Rechtsstreit verlieren, könnte dies sein Unternehmen gefährden - "und genau das wollte ich durch den Ehevertrag vermeiden".

KATRIN SACHSE



LAST DER VERGANGENHEIT
Sven Henrik Detringen, 40, drohte wegen Unterhaltszahlungen zu verarmen.

"Fälle, in denen der Ex, der Unterhalt bekommt, einen neuen Partner hat, sind extrem schwierig"

JÜRGEN SOYKA
Richter am OLG Düsseldorf



DIE LÜGE DER EX
Werner Duks, 48, musste lange mit seiner ersten Frau streiten.

Kind als Streitobjekt
Sorgerecht, Umgangsregeln und Unterhaltszahlungen für die Kinder sind die heißen Themen der meisten Scheidungen.

HÄNGEN GELASSEN
Kathrin M., 42, bekommt von ihrem Mann keinen Euro.

INTERVIEW

"Ich sehe eine Gerechtigkeitslücke"

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) unterstützt die Familienrichter in ihrer Forderung, beim Unterhaltsrecht die Ansprüche der Ex-Frau einzuschränken.

FOCUS: Viele geschiedene Männer behaupten, bei einer Scheidung würden Frauen bevorteilt, Männer dagegen müssten immer nur zahlen. Können Sie diese Klagen nachvollziehen?

Zypries: Männer klagen, weil sie häufig der berufstätige Partner in einer Ehe sind oder mehr Geld verdienen. Sie müssen nach einer Trennung in der Regel Unterhalt zahlen und das gemeinsame Vermögen aufteilen. Dieses haben sie zwar durch ihre Berufstätigkeit erarbeitet, aber die Frau hat währenddessen Hausarbeit geleistet und Kinder betreut und/oder ihre eigene Berufstätigkeit hintangestellt.

Es ist richtig, dass beide ihren Anteil am erwirtschafteten Vermögen erhalten. Wäre die Rollenverteilung umgekehrt, dann wären Frauen diejenigen, die schimpfen. Das Scheidungsrecht bevorteilt nicht die Frauen als solche, sondern schützt denjenigen, der sich um Haus und Kinder kümmert.

FOCUS: Empfinden Sie unsere Scheidungsgesetze als gerecht?

Zypries: Grundsätzlich ja. Natürlich ist jeder Fall individuell: Manche Ehen lassen sich relativ einfach trennen, andere Scheidungen dagegen sind unendlich kompliziert. Familienrichter haben die Möglichkeit, den Spielraum eines Gesetzes auszuschöpfen, indem sie die so genannten Billigkeitsregeln anwenden. Ich meine, dass diese Klauseln gerechte Entscheidungen ermöglichen.

FOCUS: Der Deutsche Familiengerichtstag hat als Forderungen an die Politik gestellt, die Rangordnung im Unterhaltsrecht von erster Ehefrau, minderjährigen Kindern sowie der aktuellen Frau zu ändern. Unterstützen Sie eine Gesetzesänderung?

Zypries: Ja. In der derzeitigen Regelung sehe ich eine Gerechtigkeitslücke. Minderjährige Kinder, gleichgültig ob aus erster oder folgenden Ehen, sollten an erster Stelle stehen. Erst danach sollten künftig die Ansprüche der geschiedenen und der aktuellen Ehefrau folgen.

FOCUS: Bereits im Jahr 2000 hat der Bundestag die Regierung aufgefordert, das Unterhaltsrecht grundsätzlich zu überarbeiten und es klarer und einfacher zu gestalten. Warum ist bisher nichts geschehen?

Zypries: Es stimmt, hier müssen wir einiges tun. Eine grundsätzliche Reform des Unterhaltsrechts hängt in weiten Bereichen davon ab, dass als Vorfrage zunächst steuer- und sozialrechtliche Fragen gelöst werden. Denn deren Regelung hat maßgebliche Auswirkungen auf das Unterhaltsrecht. Das gilt zum Beispiel für das Kindergeld. Die Fragen, die davon unabhängig sind, wollen wir uns aber vornehmen.

FOCUS: Wann?

Zypries: Noch in dieser Legislaturperiode.

FOCUS: Scheidungsverfahren, in denen sowohl Zivilgerichte als auch Familiengerichte Entscheidungen fällen müssen, dauern häufig sehr lange. Wann verwirklicht die Bundesregierung das seit langem geforderte so genannte Große Familiengericht?

Zypries: Die ersten Beschlüsse dafür haben wir auf den Weg gebracht. Nach meiner Vorstellung sollen die Großen Familiengerichte Ende 2005 zu arbeiten beginnen. Wenn dann alle Rechtsfragen, die mit einer Scheidung zusammenhängen, von einem Gericht entschieden werden können, wird dies Scheidungsverfahren enorm beschleunigen.

FOCUS: Immer mehr Paare leben ohne Trauschein zusammen. Wollen Sie diese Lebensgemeinschaften reglementieren, um die Partner besser abzusichern?

Zypries: Ich bin sehr skeptisch, ob wir eine weitere geregelte Lebensform schaffen sollten, sozusagen ein Mittelding zwischen Ehe und einer Beziehung ohne jede Rechtsbindung. Das neue Kindschaftsrecht schützt inzwischen die schwächsten Glieder einer solchen Verbindung. Die Partner selbst können untereinander Verträge schließen und Vereinbarungen treffen, wenn sie sich absichern wollen - oder sie können heiraten. Ob tatsächlich weiterer Regelungsbedarf besteht, muss sehr sorgfältig geprüft werden.


REFORMWILLIG

STÜTZE FÜR DEN EX
Sylvia Wolgram, 51, verkaufte für Unterhaltszahlungen ihr Haus.

"Wenn der Ex wegen hoher Schulden keinen Unterhalt zahlen kann, soll er in privaten Konkurs gehen"

JÖRN HAUSS, Rechtsanwalt

BEFREIUNGSSCHLAG
Der Duisburger Rechtsanwalt Jörn Hauß fordert den privaten Konkurs für Hochverschuldete



INTERVIEW

"Eng miteinander verflochten"

Familienrichter Gerd Brudermüller über die Ehe als Solidargemeinschaft und die Vorzüge des Ehevertrags

FOCUS: Sie betonen immer wieder die Ehe als Solidargemeinschaft. Was verstehen Sie darunter?

Brudermüller: Während einer Ehe manifestiert sich eine Verflechtung der beiden Partner. Dieses Netzwerk wächst einerseits mit den gemeinsam verbrachten Jahren. Andererseits binden Investitionen die Partner aneinander, zum Beispiel die Gründung einer Familie oder der Bau eines Hauses. In einer Solidargemeinschaft fühlen sich die Ehepartner füreinander verantwortlich, stehen sich bei Krankheit bei und erlangen eine echte Vertrauensbasis.

FOCUS: Können Paare diese Solidargemeinschaft bei einer Scheidung aufkündigen?

Brudermüller: In einer kurzen Ehe ohne weiteres. Wenn das Paar keine Kinder hat und jeder sein eigenes Geld verdient, gilt das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit. Jeder sorgt für sich selbst. In langen Ehen dagegen, wo die Partner eng miteinander verflochten sind und einer auf den anderen vertraut, erlischt bei einer Scheidung nicht automatisch die Verantwortung, die dann vor allem der Stärkere für den Schwächeren übernehmen muss. Unter Umständen bleibt diese Pflicht bis zum Lebensende bestehen.

FOCUS: Glauben Sie, Verliebte wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie heiraten?

Brudermüller: Verliebte schwelgen in Romantik, das verklärt den Blick. Ich denke, die wenigsten sind rechtlich aufgeklärt. Viele haben keine Ahnung, welche Verantwortung sie übernehmen und welche Konsequenzen ein Scheitern ihrer Ehe bedeutet. Bei Paaren, die einen Ehevertrag schließen, sieht es besser aus. Hier sind die meisten informiert, weil sie die Auswirkungen ihrer Vereinbarungen kennen sollten. Außerdem ist der Notar, der den Vertrag beurkundet, zur Aufklärung verpflichtet.

FOCUS: Laut einer neuen Studie sinkt die Bedeutung der Ehe. Heiraten weniger Paare, weil sie Angst vor den Folgen einer Scheidung haben?

Brudermüller: Ich sehe mehrere Gründe für diese Zurückhaltung. Einer davon ist sicherlich die Angst, sich rechtlich dauerhaft zu binden. Die Folgen einer Scheidung erscheinen für juristische Laien kaum durchschaubar, weil die Gesetze so kompliziert sind.


TRENNUNGSEXPERTE

RAT VOM PROFI
Rudolf Haibach, Notar und Rechtsanwalt

"Anwälte und Notare brauchen Sicherheit, welche Vereinbarungen in Eheverträgen rechtsgültig sind"

RUDOLF HAIBACH,
Fachanwalt für Familienrecht


Basis für Beziehungsprofis
Ein Ehevertrag mag kühl und herzlos scheinen - er kann jedoch im Krisenfall die Rettung bedeuten. In unserem
Forum können Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel äußern.
Verweisen Sie dabei bitte auf http://vaetersorgen.de/FremdePresse/Artikel142.html

Zum Seitenanfang
Hier erreichen Sie den Webmaster