Presseschau
Auf dieser Seite finden Sie "vereinsfremde" Presseartikel.
Artikel rund um unseren Verein finden Sie hier.


Hamburger Abendblatt
Samstag, 06. Dezember 2003

Nicht ohne mein Kind!


Gerade zu Weihnachten entbrennt bei vielen getrennten Elternpaaren wieder der Streit: Mit wem feiern die Kinder? Das neue gemeinsame Sorgerecht sollte die Lage entschärfen - aber die Details bleiben oft ein Machtspiel.

Von Sabine Tesche

Die Männer, die zu Daniela Leyhausen gehen, sind oft wütend und und fühlen sich ohnmächtig hilflos. Sie haben gekämpft, gestritten, gebrüllt, vielleicht sogar geweint. Irgendwann sehen sie keinen anderen Ausweg mehr als einen Prozess, um zu ihrem Recht zu kommen: dem Recht auf ihre Kinder. "Vielen Männern, die in meine Kanzlei kommen, wird der regelmäßige Umgang mit ihren Kindern oft ganz brutal verweigert", sagt die Hamburger Familienanwältin Daniela Leyhausen. Gerade vor Weihnachten fragen sich Väter: Warum kann ich nicht mit meinem Kind zusammen feiern?

Seit der Reform des Kindschaftsrechts vor fünf Jahren ist das gemeinsame Sorgerecht für beide Elternteile der Regelfall, Rechtsstreit darüber ist seltener geworden. Doch ein Problem zwischen den Eltern bleibt das Umgangsrecht. Immerhin 22 Prozent der Mütter (85 Prozent der Scheidungskinder leben bei der Mutter) lehnen trotz gemeinsamen Sorgerechts den Kontakt des Kindes zum Vater ab. Fast 40 Prozent der Väter beklagen, dass sie ihre Kinder zu wenig sehen, sie würden gerne mehr von ihrem Alltag, von Freuden und Sorgen mitbekommen. Das ergab eine repräsentative Studie des Sozialrechtlers Prof. Roland Proksch über Scheidungsfamilien für das Bundesjustizministerium.

Auch Heiner Müller (alle Namen der Familien geändert) hat es satt, immer nur alle zwei Wochen bei seinen Kindern den Wochenendpapi zu spielen. "Die Kinder brauchen beide Eltern zum Ausgleich, und es tut ihnen und mir gut, wenn sie öfter hier sind. Ich vermisse sie. Sie sind doch neben meinem Beruf mein Leben", sagt der 32-Jährige. Er würde sich die Erziehung von Leon (8) und Laura (10) gern exakt mit seiner Ex-Frau Inga teilen: Eine Woche hat sie die beiden, die nächste Woche er.

Er will es, Leon und Laura wollen es, doch seine Ex-Frau blockiert. Keinen Tag mehr will sie ihm die Kinder geben, keine Stunde. Auch wenn ihr Sohn anruft und fragt, ob er eine weitere Nacht bei seinem Vater bleiben darf, sagt sie "Nein". Ohne Begründung.

Sie will darüber auch nicht sprechen. Wenn er die beiden Kinder abholt, muss er im Treppenhaus warten. Anweisungen für das Wochenende erteilt sie ihm schriftlich, auf Zetteln, in Befehlsform. Er durfte bei der Wahl der Schule mitreden, so will es das Sorgerechts-Gesetz, doch viel mehr soll sich der gelernte Erzieher nicht in die Erziehung seiner Kinder einmischen. Dabei hatte er nach der Geburt der Kinder drei Jahre Erziehungsurlaub genommen.

"Meine Frau ist verbittert, sie hat Angst, die Kontrolle zu verlieren, und versucht, mir einen reinzuwürgen. Dabei ignoriert sie die Bedürfnisse unserer Kinder", sagt Heiner Müller traurig. Trotzdem hält er seine Ex-Frau für eine gute Mutter. Nie würde er ihr die Kinder wegnehmen, beteuert er. Aber der Streit zermürbt den Mann. Er weiß, dass der auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird und den beiden schadet. "Ich habe Angst, dass ich die enge Beziehung zu den Kindern verliere, und vielleicht will meine Frau genau das erreichen." Aber er gibt nicht auf. Vor Gericht kämpft er jetzt um den erweiterten Umgang.

Für die Kinderärztin und Psychotherapeutin Dagmar Brandi sind Machtspiele um die Kinder "ein Verbrechen an der Kinderseele". Kinder würden manipuliert, dem anderen Elternteil entfremdet, aufgehetzt, auf einen "ungesunden Weg geführt". Das Rollenbild der Kinder werde verzerrt, eine spätere Bindungsunfähigkeit möglicherweise programmiert.

Wenn Vater und Mutter sich trennen, geht mehr kaputt als eine Ehe. Der Lebenstraum von einer intakten Familie ist zerstört. Oft gibt jeder dem anderen die Schuld. Vielleicht ist ein neuer Partner im Spiel, aus Liebe wird Hass, die ungeklärten Probleme werden auf die Kinder übertragen. "Leider sind es oft die Frauen, die ihre Rachegelüste ausleben, ihren Ex-Mann diffamieren und damit gegen das Wohlverhaltensgebot verstoßen, das das Bürgerliche Gesetzbuch verlangt", sagt Familienanwältin Daniela Leyhausen. "Die Männer zahlen es dann heim." Das Gebot besagt, dass Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt.

Kinder brauchen vor allem Sicherheit und Geborgenheit. "Es ist die Pflicht der Eltern, zumindest das gemeinsam zu gewährleisten", fordert Kinderärztin Brandi. Dazu gehört, dass Abmachungen eingehalten werden. Unzuverlässigkeit, sonst eher eine Spezialität der Männer, führe dazu, "dass Kinder sich nicht wichtig genommen fühlen", warnt Dagmar Brandi. Sie rät, sich nach der Trennung einen Mittler zu suchen, einen Freund oder den Paten des Kindes, um genaue Besuchsregelungen festzulegen. "Die Gefühle sind noch da, aber man verhält sich zivilisierter, wenn ein Dritter dabei ist."

Für die Kinder sollte eine maßgeschneiderte Lösung gefunden werden. Je öfter die Eltern Zeit für sie haben und ihren Alltag miterleben, desto besser. Entscheidend sei, diese Zeit alleine und intensiv mit den Kindern zu verbringen, möglichst ohne neuen Partner. Die Regeln schriftlich zu fixieren gibt allen Beteiligten Sicherheit.

Wenn die Ex-Partner sich einig sind, kann das gemeinsame Sorgerecht gut funktionieren. Professor Proksch kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass 90 Prozent der Väter mit gemeinsamem Sorgerecht Unterhalt zahlten, Konflikte entschärft seien, die Eltern sich mehr über die Erziehung austauschten und mehr Mütter wieder berufstätig würden. Psychotherapeutin Brandi hat festgestellt, dass seit der Reform viel mehr verantwortungsbewusste Eltern bei ihr Rat geholt hätten als zuvor.

Zu Dagmar Brandi kamen auch Markus Schneider und seine Ex-Frau Suse. Sie hatten sich getrennt, als Tochter Lara 18 Monate alt war. Ein Wunschkind, das die brüchige Ehe aber nicht retten konnte. Suse zog mit Lara aus, Markus bestand darauf, Lara die Hälfte der Woche bei sich zu haben. "Wir haben uns geeinigt, das dies das Beste für Lara ist", sagt er. Sie nur am Wochenende zu sehen - da fürchtete er, sie zu verlieren.

Um für Lara da zu sein, hat der selbstständige Kaufmann seine Arbeitszeit reduziert und finanzielle Einbußen hingenommen. Er muss viel organisieren und trägt viel mehr Verantwortung für das Kind als vorher. "Früher hab ich mich um das Windelnwechseln und Zubettbringen gedrückt, heute gibt es für mich nichts Schöneres", schwärmt der 35-Jährige.

Mit seiner Ex-Frau telefoniert er täglich, die Übergabe des Kindes dauert mindestens eine halbe Stunde, den Urlaub sprechen sie ab. "Erst hatten wir ganz starre Regeln, die jetzt immer mehr aufweichen." Auch in Erziehungsfragen stimmen sie sich möglichst genau ab. "Damit uns das Kind nicht gegeneinander ausspielt", sagt Markus Schneider. Beide haben neue Partner, doch in Erziehungsfragen bleibt Suse seine erste Ansprechperson.

Markus Schneider hat viel über das Thema Scheidungskinder gelesen, im Internet recherchiert und ist sich dennoch nicht sicher, ob er das Richtige für sein Kind tut. Lara findet ihre "zwei Zuhause" bisher völlig in Ordnung. Doch was ist, wenn sie irgendwann einen festen Lebensmittelpunkt braucht, wenn sie unter der Trennung leiden wird? Kann es überhaupt glückliche Scheidungskinder geben? Mit diesen Fragen kamen die Schneiders zur Kinderärztin Brandi. Die konnte sie beruhigen: "Machen Sie sich keine Sorgen. Solange Sie sich einig sind, ist das auch für Lara gut" - und schickte das Paar lächelnd nach Hause.

In unserem Forum können Sie Ihre Meinung zu diesem Artikel äußern.
Verweisen Sie dabei bitte auf http://vaetersorgen.de/FremdePresse/Artikel130.html

Zum Seitenanfang
Hier erreichen Sie den Webmaster