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Badische Zeitung
Montag, 24. Dezember 2001

Wer kriegt das Kind zur Weihnacht?


Zähes Ringen ums Umgangsrecht zu den Feiertagen: Viele Väter und Mütter tragen ihren Streit auf dem Rücken der Kinder aus

Heiligabend zusammen mit Mama und Papa - für viele hundert Kinder in Freiburg wird sich dieser Wunsch heute nicht erfüllen. Die Zahl der Scheidungen in Freiburg hat im Jahr 1999 einen neuen Höchststand erreicht - in vielen Trennungsfamiilen gibt es keine "heile Welt" unterm Weihnachtsbaum. Stattdessen oft Zank, wer wann die Kinder sehen darf. Immer mehr Experten fordern deswegen eine professionelle Elternschulung und, falls es doch schief geht, ein "Trennungsmanagement".

"Weihnachten ohne Papi ist cool", sagte jüngst der 16-jährige Moritz provokativ - das war nichts anderes als eine frustrierte Abwehrreaktion, weil sich seine Eltern wieder einmal nicht einigen konnten. Auch die beiden kleinen Kinder von Internist Peter Walcher feiern ohne ihren Vater. Sie leben bei der Mutter irgendwo in Stuttgart, mehr weiß er nicht und darf es auch nicht wissen. Aber im Rahmen des gemeinsamen Sorgerechtes kümmert er sich um seinen Nachwuchs, so gut er kann.

Wenn nicht gerade Weihnachten ist, darf er immer sonntags und montags den dreijährigen Florian sehen - trotz der langen und umständlichen Anreise. Dass er seinen Sohn auch am Montag und nicht nur am Wochenende sieht, war Peter Walcher wichtig. Er will sein Kind in den Kindergarten bringen und es dort wieder abholen. Eben auch Alltag erleben - "und nicht nur der Action-Papa sein", wie viele Wochenendväter.

Peter Walcher engagiert sich für die Selbsthilfegruppe "Väteraufbruch für Kinder". Der Verein hat zuletzt einen großen Zulauf erlebt. "Wir sind aber kein Männerkampfbund", sagt Ralf Kuhtz, Vorsitzender der Regionalgruppe Freiburg. Und doch sind es vorwiegend die schwierigen Fälle, die beim Väteraufbruch Rat suchen.

Vor allem jetzt in der Weihnachtszeit waren die Sprechstunden voll von Vätern, die ihre Kinder nicht sehen dürfen. "Aber die Kinder brauchen uns Väter auch nach der Trennung", sagen Walcher und Kuhtz. Und: "Wir wollen nicht nur für die Kinder zahlen, sondern sie auch sehen. Und nicht um jede Minute Umgang bitten und betteln." Die Selbsthilfegruppe versucht, Halt in Krisensituationen zu geben. "Dem Mann wird emotional der Boden unter den Füßen weggezogen", so Walcher. Er verliert seine Kinder, seine Umfeld, die Wohnung und, wenn es ganz dick komme, sogar noch den Job.

Verbessert hat die Lage der Väter das neue Kindschaftsrecht, das seit 1998 gilt. Das Gesetz macht das gemeinsame Sorgerecht zur Regel. Seither haben Kinder und Jugendliche erstmals ein eigenständiges Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen.

Vater und Mutter sind gesetzlich verpflichtet, den Kontakt zum Kind zuzulassen und wahrzunehmen. "Damit verlagert sich der Kampf aufs Umgangsrecht", beobachtet die Freiburger Familientherapeutin Ursula Kodjoe (siehe Interview unten). Und doch fühlen sich die Väter oft benachteiligt - vor dem Familiengericht und beim Verhandeln mit dem Jugendamt.

"Das Jugendamt schaut meist nur zu", klagen die Väter Walcher und Kuhtz. Dabei könnte mit rechtzeitig begonnener Vermittlung viel erreicht werden - zum Wohle der Schwächsten in der Kette, der Kinder. Die Liste der Anliegen ist lang, die der Väteraufbruch dem künftigen Sozialbürgermeister vortragen will.

Auch Psychologin Kodjoe sagt: "Wir müssen die Eltern bei ihrer Konfliktlösung unterstützen, damit sie trotz Trennung Eltern bleiben". Vor allem jetzt vor den Festtagen war der Bedarf an professioneller Hilfe so groß wie noch nie, so die Beobachtung von Elfie Eitenbenz, Sozialpädagogin und Mediatorin bei Pro Familia in Freiburg. Mit vielen getrennt lebenden Eltern hat sie als Vermittlerin am Tisch gesessen, um die für viele emotional so belastende Regelung für die Festtage hinzubekommen.

"Bei allen, die hier waren, gab es Lösungen", berichtet die Sozialpädagogin. In Fällen, in denen die Trennung noch ganz frisch ist, entschlossen sich die entzweiten Paare den Kindern zuliebe zum gemeinsamen Feiern an Weihnachten. In anderen Fällen wechseln die Kinder am ersten Feiertag von der Mutter zum Vater.

Oder aber eine Mutter fährt mit ihren Kleinen für ein paar Tage in den Süden -da ergibt sich von alleine ein Weihnachten, das ganz anders ist als jenes im vergangenen Jahr daheim. Und der leere Platz am Tisch macht ein klein bisschen weniger traurig.

"Alle Eltern wollen ihre Kinder unterm Weihnachtsbaum sehen", sagt Psychologin Kodjoe. Das weiß man auch bei Pro Familia. Die Mediatoren versuchen, das Augenmerk der Streithähne auf die Kinder zu lenken. "Wir brauchen Lösungen, die für die Kinder gut und für Eltern akzeptabel sind", so Elfie Eitenbenz. Da muss der Vater lernen, allein Verantwortung für die Kinder zu übernehmen. Und die Mutter muss lernen abzugeben: "Manche Frauen wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, wenn die Kinder nicht bei ihnen sind". Internist Peter Walcher feiert Heiligabend und die Feiertage alleine. Er sieht seine Sprößlinge, so hofft er, aber schon in paar Tagen: "Dann feiern wir Weihnachten halt einfach nach".

Kirsten Wörnle/Joachim Röderer

"Wir brauchen Lösungen, die für die Kinder gut und für Eltern akzeptabel sind."
Elfie Eitenbenz, Pro Familia


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